Saitenwechsel | Schostakowitsch 13. Sinfonie

Mit Musik gegen Antisemitismus

Musik kann ein Mittel sein, um seine Meinung zu äußern, Kritik zu üben, politisch Stellung zu beziehen. Und das ist auch in der Geschichte der klassischen Musik schon lange so. Der russische Komponist Dmitri Schostakowitsch kritisiert mit einer Sinfonie Antisemitismus in der Sowjetunion.

+++Saitenwechsel wird präsentiert vom Gewandhausorchester.+++


Saitenwechsel wird präsentiert vom Gewandhausorchester.

Die 13. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie Musik in der Geschichte und auch heute noch oft ganz eng mit Politik und Gesellschaft verknüpft ist.

In den 1960er Jahren hat Schostakowitsch den Status des Nationalkomponisten der Sowjetunion inne. Aber auch noch nicht lange: denn noch Ende der 1940er hatte er mit extremen Angriffen zu kämpfen, konnte seine Arbeit nicht frei ausüben. Erst unter Chruschtschow hat er sich dann langsam eine Stellung erarbeitet, in der er seinen Beruf ausüben konnte.  Ab dann gelang er als Komponist zu Ruhm – auch in den USA.

Schostakowitsch, ein Opportunist?

Sich das Vertrauen der Regierung zu erarbeiten ist ein langer Weg. Einer, den der Komponist oft selbst anzweifelt. Wohl um seine Karriere zu sichern, tritt er 1960 in die Kommunistische Partei ein und arbeitet für den staatlichen Komponistenverband. Schon zu Lebzeiten warfen ihm deshalb einige vor, er handle opportunistisch.

Er hat auch nicht davor zurückgeschreckt, andere und sich selbst zu verleugnen, aber das war als Mittel zum Zweck, um seine künstlerische Arbeit ausüben zu können. – Ann-Katrin Zimmermann, Gewandhaus-Dramaturgin

Gegen das Vergessen

Mit der 13. Sinfonie wagt er es, ein sensibles Thema anzurühren. Er vertont fünf Gedichte des russischen Dichters Jewtuschenko, ein Zeitgenosse von Schostakowitsch. Im ersten Gedicht, das der Sinfonie auch den Namen gibt Babi Jar, geht es um das Massaker in einem Tal in Kiew. Dort wurden 1941 mehr als 33.000 Juden erschossen.

Eine unglaubliche Gräueltat. Dennoch gibt es nach Kriegsende keine richtige Aufarbeitung und auch kein Mahnmal an dem Ort. Nun im Jahr 1961 steht der 20. Jahrestag dieses Massakers an, und der Dichter reist an den Ort, um an die Schrecken zu erinnern. Und das vertont Schostakowitsch mit einem großen Sinfonieorchester, Männerchor und einem Solisten, die die Texte singen.

Wie versucht wurde, die Aufführung dieser Sinfonie zu verhindern, und wie sie dann am Ende klingt, darüber spricht Gregor Schenk mit Eva Morlang, die ihn für die nächste Staffel des Saitenwechsels ablöst.

Eigentlich wollte Schostakowitsch zuerst nur dieses erste Gedicht vertonen und an Babi Jar erinnern, aber er hat dann wohl gemerkt, das ist so unvorstellbar grausam, so deprimierend, das kann man nicht allein so stehen lassen. Das ist einfach zu heftig. Und dann hat er sich entschieden, noch mehr Gedichte desselben Dichters dazu zu nehmen.Eva Morlang