Saitenwechsel: Sergei Rachmaninoff – 2. Sinfonie

Sinfonie der Sinnkrise

Manchmal braucht es eine Sinnkrise, bevor etwas Großes entstehen kann. So geschehen bei Sergei Rachmaninoff, der sich von seinen Selbszweifeln fast in den Wahnsinn treiben ließ, um dann die Sinfonie seines Lebens zu komponieren.

+++Saitenwechsel wird präsentiert vom Gewandhaus zu Leipzig.+++


in Kooperation mit dem Gewandhaus

Russland, 1897. Sergei Wassiljewitsch Rachmaninoff ist am Boden zerstört. Gerade wurde seine erste Sinfonie uraufgeführt. Ein Desaster, vom Publikum verschmäht, von Kritikern verrissen. Der Dirigent der Uraufführung gibt später im privaten Kreis zu, dass er Rachmaninoff nicht gerade zugeneigt ist und das Konzert im betrunkenen Zustand dirigiert habe. Rachmaninow stürzt in eine tiefe Sinnkrise. Fortan ist er geplagt von Selbstzweifel. Er schreibt:

Wenn es je eine Zeit gab, in der ich Selbstvertrauen hatte, so liegt sie lange zurück. Die Krankheit hat mich ein für allemal gepackt und ist, fürchte ich, in den letzten Jahren eher schlimmer geworden. Irgendwann werde ich wohl das Komponieren ganz aufgeben.

Die Krise geht, die Selbstzweifel bleiben

Zwölf Jahre und eine psychiatrische Behandlung später wagt sich Rachmaninoff wieder an die Königsdisziplin. Schnell spricht sich rum, dass er an einer neuen Sinfonie arbeitet. Die Klassikwelt wartet ungeduldig auf Resultate. Doch Rachmaninow tut sich schwer. So ganz  wollen die Selbstzweifel nicht verschwinden.

Die Instrumentierung hat ihm Mühe bereitet. Er hat die Sätze beiseitegelegt, sich tagelang nicht damit beschäftigt und dann erst allmählich, auf Drängen der Freunde hin, sie wieder hervorgezogen und weitergetüftelt. Es war offenbar ein richtiger Kampf für ihn. Das merkt man den Tönen gar nicht mehr an.Ann-Katrin Zimmermann 

Der Sound russischer Landschaften

Mit der seiner zweiten Sinfonie will Rachmaninoff die Schmach der ersten wiedergutmachen. Und so klingt sie dann auch. Scheinbar spielerisch wechselt er zwischen melancholischem Schwermut und lebensbejahenden Schönklang. Für David Wedel ist das traditionell russisch. Er ist in Russland geboren und spielt heute die zweite Geige im Gewandhausorchester.

Ich höre da ganz alte russische Volkslieder durch und vor allem das musikalische Beschreiben der russischen Landschaft und Mentalität. Das hört man total durch, z.B. im ersten Satz durch diese große Weite und die vielen Bögen, die man spielt. Auch die Harmonien klingen sehr groß und russisch.David Wedel 

Auch wenn es für Rachmaninoff eine schwere Geburt ist, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Uraufführung 1908 in St. Petersburg ist ein voller Erfolg. Es sollte Rachmaninows erfolgreichste Sinfonie werden. Und sie wirkt noch heute nach.

Redaktion