Saitenwechsel: Zeitgenössische Musik

Ist das schon Musik?

„Spielen die sich noch ein oder ist das schon Musik?“ Für den Klassik-Laien, den man mit zeitgenössischen Werken konfrontiert, eine typische Reaktion. Dabei ist selbst Beethoven damals angeeckt. Werden wir die Musik von heute in 200 Jahren als völlig normal empfinden? Zeit für einen Saitenwechsel.

+++Saitenwechsel wird präsentiert vom Gewandhausorchester.+++


Saitenwechsel wird präsentiert vom Gewandhausorchester.

In unseren Ohren klingt zeitgenössische Musik oft anstrengend, sperrig, verkopft. Selbst der Klassikfan mit Abokarte runzelt die Stirn, wenn im Programmheft nicht Mahler oder Beethoven steht, sondern Schönberg.

Moderne, zeitgenössische Musik – was ist das überhaupt? Heute wird der Begriff etwas verschwommen für die Musik der letzten 100 Jahre verwendet. Deswegen kann man die vielen unterschiedlichen Komponisten eigentlich nicht in eine Schublade stecken. Was sie heute eint, ist die Skepsis seitens des Publikums.

„Es ist immer das Fremde, vor dem man Angst hat“, sagt Gewandhaus-Dramaturgin Ann-Katrin Zimmermann. Dieses Fremde abzubauen – das ist Aufgabe und Herausforderung der Konzerthäuser.

Rituale aus dem 19. Jahrhundert

Wenn man über neue Musik spricht, kommt man um die Frage zu deren Aufführungspraxis nicht herum. Die Art und Weise, wie uns zeitgenössische Musik üblicherweise präsentiert wird – ist die denn wirklich „zeitgenössisch“?

Das sind Rituale aus dem 19. Jahrhundert. Der Konzertsaal, in dem alle Sinneseindrücke aufs Minimum reduziert werden – das hat mit neuer Musik nichts mehr zu tun. Wir hängen an einem Brauch, der eigentlich in eine andere Zeit gehört.Ann-Katrin Zimmermann 

Ein Konzertsaal ist ein Konzertsaal ist ein Konzertsaal

Was also ist dann die Alternative? Experimentiert wird in der Richtung ja schon allerhand: Konzerte in Clubs, in Fabrikhallen, an ungewöhnlichen Orten. Für Puristen wie Steffen Schleiermacher allerdings keine ernstzunehmende Zukunftsvision.

Konzertmusik gehört in einen Konzertsaal. Fabrikhallen sind akustisch oft völlig ungeeignet. Es ist der Versuch, von der Musik abzulenken oder ein Publikum zu kreieren, das an der Musik überhaupt kein Interesse hat, sondern wegen der Location da hingeht. Ein Konzertsaal ist ein Konzertsaal ist ein Konzertsaal. Da kann sich die Musik am besten entfalten.Steffen Schleiermacher 

Bleibt die Frage, wie wir zeitgenössische Musik in Zukunft wahrnehmen werden. Beethoven zum Beispiel war ja vor 200 Jahren auch ein zeitgenössischer Komponist. Und auch der ist angeeckt mit seiner Musik. Heute ist er der weltweit meist aufgeführte Komponist. Wer wird dann der Beethoven unserer Generation sein? Zeit für einen Saitenwechsel.

Redaktion