Tracks & Traces | Das Paradies – Goldene Zukunft

Trojanisches Pferd in Liedform

Alles glänzt und leuchtet. Und mittendrin Florian Sievers alias Das Paradies, der in „Goldene Zukunft“ rosige Zeiten attestiert. Gebettet auf federleichter Popmusik, der man sich allzu gerne hergibt. Da ist doch was faul! In Tracks & Traces nimmt er den Song Spur für Spur auseinander.

Mehr als die Summe der einzelnen Teile

Florian Sievers ist eine Hälfte des Indiefolk-Duos Talking To Turtles. 2017 veröffentlicht er als Das Paradies seine ersten deutschsprachigen Songs. Um abgedroschene Deutschpop-Phrasen macht er einen großen Bogen, singt von Zentrifugen, Discoscootern und Erdantriebspropellern. Musikalisch bleibt alles immer ein bisschen ambivalent: leichtfüßig und gleichzeitig nachdenklich.

Damit begeistert er auch Grönland Records, das Label von Herbert Grönemeyer. 2018 kommt dort das Debütalbum raus: „Goldene Zukunft“. Der titelgebende Song ist so etwas wie die Initialzündung für Das Paradies. Der Song, mit dem alles anfing.

Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass die Zusammensetzung der Instrumente, die mir in die Hände fielen, mehr als die Summe der einzelnen Teile war.

DDR-Synthesizer und 30-Euro-Piano

Weil aus der anfänglichen Fingerübung schnell mehr wird, muss irgendwann ein eigenes Studio her. In Leipzig häuft Florian in der Folge auf gemütlichen 20 Quadratmetern allerhand Instrumente an, die ihm über Ebay Kleinanzeigen und andere Zufälle in die Hände fallen.

Da ist zum Beispiel ein alter DDR-Synthesizer der Marke Vermona, Baujahr 1983. Eine Art Dauerleihgabe eines alten Bekannten. Kein Selbstläufer für einen Musiker, der sich vor allem an der Gitarre heimisch fühlt.

Aus der Unfähigkeit und dem Lernen mit den Synthesizern ist eine ganz tolle Reibung aus Ambition und eingeschränkten Fähigkeiten entstanden.

Die vielen neuen Sounds im Paradies-Kosmos sind mit Bedacht gewählt. Die „Goldene Zukunft“ klingt puristisch und funkelt trotzdem. Wohl auch ein Verdienst von Simon Frontzek (Thees Uhlmann Band), der beim Produzieren hilft und Max Schröder (Die Höchste Eisenbahn), der am Schlagzeug einspringt.

Blinder Optimismus

Im Songtext spielt Das Paradies mit Phrasen rund um den Themenkomplex „Alles wird gut“. Rosigen Zeiten glänzen und leuchten, Zweifel werden von Hauswänden gewischt. Und bei all der musikalischen Leichtigkeit möchte man diesem trojanische Pferd in Liedform nur allzu gerne glauben.

Ich war ein bisschen irritiert von der häufigen Lesart, dass es so ein positives Lied sei. Mich hat da ehrlich gesagt ein Gefühl von Zwangsoptimismus in eine ziemlich pessimistische Weltsicht getrieben.

In Tracks & Traces nimmt Florian Sievers alias Das Paradies seinen Song „Goldene Zukunft“ Spur für Spur auseinander. Von den ersten Gehversuchen mit deutschen Songtexten, über lieb gewonnene Synthesizer, bis hin zu ungewöhnlichen Hall-Effekten.

Redaktion