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Waren in exklusiven Studios und teuren Hotelzimmern unterwegs: Vita Bergen. Foto: Olof Grind
Waren in exklusiven Studios und teuren Hotelzimmern unterwegs: Vita Bergen. Foto: Olof Grind

Vita Bergen und ihr zweites Album „Retriever“

Schwedisches Melodie-Gespür

Schnee in Schweden oder Sonne in L.A.? Die schwedische Band Vita Bergen schwankt tendenziell zwischen Heimatgefühlen und den Verlockungen der großen weiten Welt. Ihr neues Album „Retriever“ haben sie an beiden Orten produziert. Sänger William Hellström über Profistudios, Popmusik und die neue Platte.

Zuviel Hype kann auch Nachteile haben: Im Trubel des plötzlichen Erfolgs nach ihrem Debüt-Album „Disconnection“ gab’s für Vita Bergen erstmal für eine ganze Weile keine „weißen Berge“ oder überhaupt viel von ihrer schwedischen Heimat zu sehen – stattdessen hunderte Backstage-Bereiche und Bühnen in kleinen und großen Clubs in ganz Europa. Nach dem ersten großen Tour-Marathon stand dann erst einmal kalifornische Sonne in Los Angeles an, aber nicht etwa für Urlaub, sondern um direkt das zweite Album aufzunehmen.

Dieser leichten Workaholic-Tendenz von Vita Bergen ist es geschuldet, dass Platte Nummer Zwei grade mal eineinhalb Jahre nach dem Debüt fertig war. Vita Bergen machen keine halben Sachen, sagt Frontmann William Hellström, schon gar nicht in der Musik.

Man kann es mit Bergsteigen vergleichen – wenn du kletterst, kannst du dir keine Sekunde Unaufmerksamkeit leisten. Wenn du deine Konzentration verlierst, bist du tot. Dieses Gefühl, dieses im-Moment-bleiben, versuchen wir auch in Songs auszudrücken, ganz ohne Filter. Das ist die Hauptsache.

https://www.youtube.com/watch?v=ks9T7yrC7Ik

Mehr Geld, mehr Möglichkeiten

Das Budget für „Retriever“ war deutlich großzügiger als die 500 Euro, mit denen die Band vor Jahren ihre allererste EP aufgenommen hat – und im Gegensatz zur ersten Platte reichte es diesmal für Profi-Studios, vernünftiges Equipment und sogar bequeme Hotelbetten.

Das erste Album haben wir durchweg in meiner Wohnung aufgenommen, mit richtig miesem Equipment. Diesmal waren wir im Studio und plötzlich hast du mit Tontechnikern und Produzenten zu tun und man verliert sich fast ein bisschen in dieser Umgebung, weil es so weit außerhalb der eigenen Komfortzone liegt. Für den letzten Feinschliff waren wir dann doch wieder im Haus meiner Eltern – direkt am Meer, inklusive langer Spaziergänge und durchgemachten Nächten. Das ist unser Fundament: die Wände dort wissen, was uns ausmacht.

Am Ende war es zu Hause also doch am schönsten für Vita Bergen. Zum einen, weil sie nicht die Bodenhaftung verlieren wollen, zum anderen, weil sie dann doch ganz gern nach ihrem eigenen Zeitplan arbeiten und nicht unbedingt nach einem strengen Studio-Belegungsplan.

Es ist ein bisschen seltsam, so ein klassischer 9-bis-17-Uhr-Job. zumindest ist es das für die anderen Leute, die da arbeiten. Wenn wir alleine aufnehmen, stellen wir normalerweise den Tag auf den Kopf und bleiben die ganze Nacht wach. Diesmal hatte alles ein bisschen mehr Struktur.

Schimmernde Songs

Menschen, die in den 80er Jahren schon nicht mehr im Kindergartenalter waren, werden mit „Retriever“ das eine oder andere klangliche Déjà-vu-Erlebnis haben. William ist ein großer Freund von breitflächig eingesetzten Keyboard-Sounds, weil er damit am nächsten an das Gefühl herankommt, das er mit der Musik von Vita Bergen vermitteln will.

Wenn ich versuche, den Kern unserer Musik zu beschreiben, dann komme ich immer auf dieses Glänzen zurück. Selbst bei Herzschmerz-Themen gibt es bei uns immer noch Licht am Ende des Tunnels. Es ist nie komplett düster, da ist immer ein gewisses Schimmern in den Songs.

Pop ist Melodie

Die acht Songs auf „Retriever“ sind das, was man im Pop ganz gern „straightforward“ nennt: geradlinig, tanzbar, ohne allzu tiefe psychologische Abgründe. Ein bisschen Unbeschwertheit tut ja nicht nur im Sommer ganz gut. Vita Bergen haben sich schon früh von dem Gedanken verabschiedet, dass ernstzunehmende Popmusik nicht zu gutgelaunt sein darf. Es gibt nur einen Bereich, bei dem William kompromisslos bleibt, was das Songschreiben angeht: ohne eingängige Melodien geht gar nichts.

Pop ist Melodie – für mich jedenfalls. Ich liebe Melodien, und auch da darf es gern schimmern, auch wenn’s natürlich nicht zu kitschig sein soll. Ich glaube, in Schweden kriegen wir diese Liebe zur Melodie von klein auf mit, weil unsere Kinderlieder alle super-melodisch sind. Also haben viele Schweden eine Art eingebautes melodisches Denken.

Als Zweitwerk ist „Retriever“ sicher noch ein Stück entfernt von der perfekten Pop-Platte, aber in ihren kleinen Unzulänglichkeiten durch und durch sympathisch. Vita Bergen haben jedenfalls Spaß an dem, was sie tun – und davon kann man sich ja ruhig ein bisschen anstecken lassen.

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