200 Tage NSU Prozess – Zwischenbilanz

Schweigen und offene Fragen

Der NSU-Prozess im Oberlandesgericht München läuft nun 200 Tage. Die Strategie der Hauptangeklagten Zschäpe ist immer noch: Schweigen. Wird sie das noch brechen oder bis zum Ende des Prozesses durchhalten? Und was dann?

Beate Zschäpe im Fokus

Die Hauptangeklagte, Beate Zschäpe, steht im Fokus des Prozesses. Die Augen der Medien wie auch der Prozessteilnehmer sind auf das dritte Mitglied des NSU-Terror-Trios gerichtet. Doch die Angeklagte verfolgt weiter die Verteidigungsstrategie „Schweigen“.

Zschäpe wirkt psychisch angeschlagen. Die über dreijährige Untersuchungshaft und die lange Prozessdauer scheinen an ihr zu zehren. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hat bereits Konsequenzen gezogen und die wöchentliche Prozessdauer von drei auf zwei Tage heruntergesetzt. Außerdem sind Fotografen und Fernsehleute nur noch zwei Mal im Monat befugt, am Prozess teilzunehmen.

Im Vordergrund steht, unbedingt zu verhindern, dass Zschäpe verhandlungsunfähig wird und sich so der Prozess weiter hinzieht.

NSU vor Gericht

Beate Zschäpe war bis 2011 Teil des Nationalsozialistischen Untergrunds. Die beiden anderen Mitglieder waren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die sich 2011 das Leben nahmen. Diese rechtsextremistische Terrorvereinigung ist für den Zeitraum 1998 bis 2007 mutmaßlich für zehn Morde, zwei Brandanschläge und 15 Raubüberfälle verantwortlich.

Neun der zehn Morde richteten sich gegen Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund. Die Opfer des NSU waren Internetcafébetreiber, Gemüsehändler oder Imbissbesitzer. Dem zehnten und letzten Mord ist 2007 eine junge Polizistin, Michèle Kiesewetter, zum Opfer gefallen. Bisher wird Michèle Kiesewetter als Zufallsopfer des Trios von der Anklage gewertet, die nur durch ihre Position als Polizistin zum Opfer wurde.

2011 flog das Trio erst auf, darauhin nahmen sich Böhnhardt und Mundlos das Leben, Zschäpe stellte sich der Polizei. Am 6. Mai 2013 wurde der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte eröffnet.

Offene Fragen

Auch nach 200 Prozesstagen mit hunderten Zeugen und dutzenden Opferanwälten bleiben viele Fragen ungeklärt. Besonders der Zeuge Andreas T. sorgt für Ungereimtheiten.

Der ehemalige Verfassungsschützer war zum Zeitpunkt eines der NSU Morde am Tatort, bestreitet aber, vom Mord etwas mitbekommen zu oder die Leiche gesehen zu haben. Opferanwälte halten seine Aussagen für nicht glaubhaft.

Diese und andere Vorfälle werfen immer wieder die Frage auf, wie viel der Verfassungsschutz zuvor gewusst hat und ob die Mordserie des NSU hätte verhindert werden können. Das Fragen werden den vorsitzenden Richter und die zuständigen Anwälte weiter beschäftigen, ein Ende des Prozesses wird bis Januar 2016 erwartet.

detektor.fm-Gastmoderatorin Nina Sonnenberg hat mit der Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung Annette Ramelsberger über 200 Tage NSU-Prozess, offene Fragezeichen und die Frage, was passiert, wenn Zschäpe weiter schweigt, gesprochen.

Es gibt so vieles, das man nicht weiß. Und ich sage einfach, selbst wenn wir noch 400 Tage verhandeln: wenn Beate Zschäpe nicht redet, werden wir das nicht herausfinden.Annette Rammelsberger