Das Flugblatt als modernes Propagandawerkzeug

„Das Flugblatt könnte auch eine Bombe sein“

Die US amerikanische Regierung hat 60.000 Flugblätter über der syrischen Stadt Raqqa abgeworfen. Mit drastischen Bildern wird über den Islamischen Staat aufgeklärt. Das überrascht: bedrucktes Papier in Zeiten von Internet und sozialen Medien. Hat das analoge Flugblatt noch immer seine Funktion in einer digitalisierten Welt?

Fliegendes Blatt

Flugblätter gehören zu den Flugschriften. Das erste erhaltene Flugblatt ist auf das Jahr 1488 datiert. Ursprünglich wurde das Flugblatt in Abgrenzung zum gebundenen Buch fliegendes Blatt oder fliegende Schrift genannt.

Der Buchdruck ermöglichte dann eine Massenherstellung, so dass das Flugblatt als erstes technisch hergestelltes Massenkommunikationsmittel gilt. Bereits im Dreißigjährigem Krieg, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Koreakrieg kamen Kriegsflugblätter zum Einsatz. Allein in Europa wurden im Zweiten Weltkrieg schätzungsweise 20 Milliarden Flugblätter abgeworfen.

Einsatz in modernen Kriegen

Doch die Zeit des Flugblattes ist keineswegs vorbei. Auch in modernen Kriegen ist es ein beliebtes Propagandamittel. Die NATO warf beispielsweise Flugblätter über Lybien ab, in denen das Militärbündnis die Truppen von Muammar al-Gaddafi zur Kapitulation aufforderte.

Nicht immer haben Flugblätter nur die Funktion, eine Botschaft zu überbringen. Jüngst hat die amerkanische Armee 60.000 Flugblätter über der syrischen Stadt ar-Raqqa abgeworfen, die in einem drastischen Comic zeigen, wie der Islamische Staat seinen rekrutierten Nachwuchs direkt in den Fleischwolf schickt.

Flugblätter mit derart deutlichen Motiven sollen eine destabiliserende Wirkung haben und die Deutungshoheit der herrschenden Kraft, in diesem Fall des Islamischen Staates, brechen.

Psychologische Kriegsführung

In modernen Kriegen gehören Flugblätter zur Methode der psychologischen Kriegsführung. Die US-amerikanische Regierung hat dies beispielsweise zu Beginn ihres Irak-Feldzuges 2003 eingesetzt. Über 20 Millionen Flugblätter wurden abgeworfen. Hinzu kamen Telefonanrufe, Radiosendungen und Emailkampagnen. Das Ziel war es, die Bürger Iraks moralisch von Saddam Hussein zu entfremden und Offiziere zur Kapitulation zu bewegen.

Detektor.fm-Moderatorin Teresa Nehm hat mit Daniel Bellingradt, Juniorprofessor für Buchwissenschaft an der Universität Erlangen, über den Sinn und Zweck von Flugblättern in Zeiten sozialer Medien und weltweiter Internetnutzung gesprochen.

Zum einen geht´s darum, eine Sozialgemeinschaft zu erreichen und eine Meinung und eine Botschaft hinein zu tragen. Zugleich wird Macht symbolisiert, weil dieses Flugblatt, das man vielleicht auf dem Boden in den Händen hält, könnte genauso gut auch eine Bombe sein. Das hat, wenn man so will, eine psychologisch destabilisierende Wirkung.Daniel Bellingradt 

Redaktion: Lisa Hänel