Wer nicht fragt, bleibt dumm | Klage gegen Datenhehlerei-Gesetz

Wenn Gesetze Grundrechte beschneiden

Eigentlich wollte das Bundesjustizministerium lediglich den Handel mit gestohlenen Daten unterbinden. Mit dem „Datenhehlerei“-Paragraphen ist allerdings gleichzeitig ein Gesetz geschaffen worden, das die investigative Arbeit von Journalisten, Bloggern und Aktivisten kriminalisiert. Kann das Sinn der Sache sein? Das klärt nun das Bundesverfassungsgericht.

Was ist Datenhehlerei?

Der Paragraph zur Datenhehlerei (§202d) ist mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekommen – ohne, dass jemand groß Notiz davon genommen hätte. Dadurch sollte eigentlich die illegale Beschaffung von Daten unter Strafe gestellt werden, wenn die Informationen dazu verwendet werden, jemandem zu schaden.

Zwar gab es Überlegungen, bestimmte Institutionen zu schützen, insbesondere Bundesländer und deren Institutionen, die CDs mit gestohlenen Informationen über Steuersünder gekauft haben. Berufsgruppen, die von Whistleblowern Informationen erhalten, wie etwa Journalisten, Blogger oder Aktivisten, werden aber im Gesetz nicht direkt benannt.

Strafbarkeit ist eine Definitionsfrage

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) verteidigt die Einführung der „Datenhehlerei“. Man wolle gegen Rechtsverstöße vorgehen können, wenn jemand mit geklauten Daten Handel treibt:

Den Handel mit gestohlenen Daten werden wir unter Strafe stellen. Wir schaffen dazu einen neuen Straftatbestand der „Datenhehlerei“. Damit schließen wir eine Strafbarkeits­lücke. – Leitlinien des BMJV zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten

Eine Informationsfreiheitsanfrage (nach Informationsfreiheitsgesetz, kurz: IFG) von netzpolitik.org hat nun ergeben, dass die betroffenen Berufsgruppen sehr wohl auf Grundlage der Datenhehlerei zu einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe verurteilt werden können. Aus einem Schreiben der Rechtsabteilung des BMJV geht hervor, dass schon vorher über die Strafbarkeit für Journalisten diskutiert wurde. In dem Schreiben vom 30. April 2015 heißt es:

Der BMJV­-Entwurf […] geht mit dem Ausschluss von „Handlungen, die aus­schließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen“ weiter als der [hessische] Bundesratsentwurf, der nur Handlungen vom Tatbestand ausnimmt, die ausschließlich der Erfüllung gesetzlicher Pflichten durch Amtsträger oder deren Beauftragten dienen. Dies erscheint geboten, um insbesondere die Recherche von Journalisten nicht zu weitgehend unter Strafe zu stellen. (S. 2)

Pressefreiheit bedroht

Besonders im letzten Satz des Schreibens wird ersichtlich, dass durchaus von einer Strafbarkeit für Journalisten ausgegangen wird. Aus diesem Grund hatte der Deutsche Journalistenverband eine Beschwerde gegen den Gesetzentwurf verfasst und um Überarbeitung des Gesetzes gebeten. Genutzt hat das wenig. Nun haben mehrere Organisationen gemeinsam gegen die Einschränkung der Pressefreiheit geklagt – und Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Es war dem Ministerium bewusst, dass es ein kritisches Gesetz für Journalisten ist. Bestimmte Bedenken wurden aber einfach verdrängt. – Arne Semsrott, Projektleiter von fragdenstaat.de

Arne Semsrott hat im Interview mit detektor.fm-Moderatorin Carina Fron über das Gesetz gegen Datenhehlerei und die Verfassungsbeschwerde dazu gesprochen.

Dieser Datenhehlerei-Paragraph ist so schlampig formuliert, dass er gegen Journalisten, Blogger und Anwälte eingesetzt werden kann, die mit solchen Daten zu tun haben. Dieser gesamte Paragraph muss als verfassungswidrig eingestuft werden.Arne Semsrott 

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