Gleich zweimal haben die norwegischen Bürger gegen den Beitritt in die Europäische Union gestimmt – 1972 und 1994. Auch ein dritter Versuch würde den Prognosen zufolge wohl scheitern.
Man hat Angst, als kleines Land im Konzert der Großen unterzugehen. Besonders im landwirtschaftlichen Bereich befürchtet man, von der EU untergebuttert zu werden. – Tobias Etzold, Leiter des Nordeuropaprojektes der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
Kein Mitglied gleich keine Mitbestimmung
Norwegen ist zwar kein Mitglied der EU, wird aber trotzdem stark von der europäischen Politik gelenkt. Der Grund: Norwegen ist Teil des europäischen Wirtschaftsraumes. Deshalb müssen Gesetze mit EU-Beschluss auch in Norwegen durchgesetzt werden.
Das gilt nicht nur für den wirtschaftlichen Bereich, sondern teilweise auch für die nationale Gesetzgebung. Auch stellt sich Norwegen außenpolitisch häufig hinter Brüssel, wie zuletzt bei den Sanktionen gegen Russland.
Das EWR-Abkommen stärkt Norwegens Wirtschaft
Das Europäische Wirtschaftsraum-Abkommen (EWR) ermöglicht Norwegen einen direkten Zugang zum Binnenmarkt der EU. Das Abkommen ist somit die wichtigste Bindungsform zum wichtigsten Handelspartner des Landes: der EU. Rund 80 Prozent des norwegischen Exporthandels wird an EU-Länder verkauft.
Dabei landen bei uns in Deutschland hauptsächlich Erdgas und Erdöl. Doch auch im eigenen Land profitiert die Wirtschaft: Das Abkommen hat die Kaufkraft gestärkt und Norwegen eine höhere Beschäftigung beschert.
„Sich an die Regeln halten, aber nicht mitentscheiden“
Trotz alledem bringt die Abgrenzung auch Nachteile mit sich: Norwegen hat in den entscheidenden EU-Organen kein Stimmrecht und zahlt jährlich etwa 388 Millionen Euro EWR-Beiträge.
Die Souveränität ist sehr wichtig für die Norweger. Sie wollen keine Fremdbestimmung von außen. Obwohl das jetzt durch die Hintertür gewissermaßen trotzdem geschieht. – Tobias Etzold
Da verwundert es kaum, dass die Politik mahnend den Finger in Richtung Großbritannien erhebt: „Keine Stimme und keine Präsenz“ prognostiziere Ministerpräsidentin Erna Solberg den Briten ihre Lage im Falle eines „Brexit“, berichtet die Süddeutsche Zeitung.
Warum sie vor dem EU-Austritt warnt und wie viel politisches Eigeninteresse dahinter steckt, erklärt Tobias Etzold im Interview mit detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt. Er leitet das Nordeuropaprojekt der Stiftung Wissenschaft und Politik und weiß, warum die norwegische Bevölkerung den Beitritt in die EU fürchtet.
Redaktion: Anna-Lena Stumpf