Gegenwind für Merkel

Kehrtwende oder Alleingang?

Angela Merkel steht wegen ihrer Flüchtlingspolitik in der Kritik. Auch einige ihrer Amtsvorgänger standen vor dem politischen Scheideweg: Alleingang oder Kehrtwende. Für einige hat das ein Ende ihrer Amtszeit eingeleitet, für andere ungeahnte Triumphe. Welche Zwänge spielen bei der Entscheidung eine Rolle?

Trotz Kritik: kein Kurswechsel

Die Fassade bröckelt nicht nur, sie bekommt tiefe Risse: Das Bild der allseits beliebten „Mutti Merkel“, wie es lange durch die Medien getragen – und verhöhnt – wurde, ist Merkels aktueller Position scheinbar nicht mehr angemessen. Wo man einst Optimismus unter der Bevölkerung und ihren Unterstützern verspürte, hört man nun auch Skepsis. Das Land könne mit dem Flüchtlingszuwachs nicht umgehen, Deutschland sei überfordert, lautet die allgemeine Kritik – die kommt in letzter Zeit besonders aus den Reihen der Union.

Abgeordnete der CDU und CSU haben eine Unterschriftenaktion gegen ihren Flüchtlingskurs gestartet, das Ergebnis: 44 der insgesamt 310 Abgeordneten haben gegen sie gestimmt. Auch der Koalitionspartner SPD widersetzt sich dem Kurs der Kanzlerin.

Was Merkel als Erfolge ihrer Amtszeit sehen könnte, scheint in Vergessenheit geraten: das Hilfspaket für Griechenland, die sinkende Arbeitslosenquote, Atomausstieg, das Aussetzen der Wehrpflicht. Der Druck auf die Kanzlerin wächst, die einst loyalen Partner gehen immer härter mit ihr ins Gericht.

Der Bundeskanzler als Einzelkämpfer

Beharrlichkeit, das kann für einen Politiker Erfolg oder Niederlage bedeuten. Angela Merkels Vorgänger Gerhard Schröder zum Beispiel blieb bei der Sozialreform „Agenda 2010“ bei seinem Kurs:  weniger Staatsleistungen, mehr Eigenverantwortung.

Die eigene SPD-Partei kritisierte ihn dafür. Bundeskanzler Schröder gab seinen Parteivorsitz kurze Zeit später ab und veranlasste Neuwahlen – er verlor.

Auch Bundeskanzler Konrad Adenauer galt während seiner Amtszeit als umstrittener Politiker, der seine Ziele mit allen Mitteln durchzusetzen versuchte. Die FDP startete eine Kampagne gegen Adenauer, Ludwig Erhard sollte sein Nachfolger werden. Obwohl er sich dem einige Zeit widersetzen konnte, schied Adenauer später aus dem Amt.

Ein Parallelfall etwas anderer Art ist Konrad Adenauer in der Spiegel-Krise. Er hat im Grunde genommen seinen Kurs korrigiert und seine Kanzlerschaft befristet fortgesetzt. – Politologe Karlheinz Niclauß

Über den Widerstand an den Regierungsstilen von Bundeskanzlern hat detektor.fm-Moderator Konrad Spremberg mit Karlheinz Niclauß gesprochen. Er ist Politologe an der Universität Bonn und forscht zum politischen System und zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Solange kein respektabler Ersatzmann oder eine Ersatzfrau zur Verfügung steht, kann der Kanzler das lange durchhalten. Helmut Kohl würde ich da als Beispiel nennen.Karlheinz Niclauß 

Redaktion: Zülal Yildirim