Bundestag beschließt Hartz-IV-Reform

Bürokratie abbauen: Zu welchem Preis?

Nach monatelangen Verhandlungen beschließt der Bundestag eine Hartz-IV-Reform. Sie soll die Bürokratie in den Jobcentern abbauen. Damit mehr Zeit bleibt, Arbeitslose in Jobs zu bringen. Geht der Plan auf?

Einfach Bürokratie abbauen?

Die neue Hartz IV-Reform soll den Jobcentern mehr Zeit verschaffen. Denn bisher wurde Hartz IV jeweils für sechs Monate gewährt. Arbeitslose und Ämter mussten sich deswegen alle halbe Jahr erneut um den Antrag kümmern. Die Reform hebt den Zeitraum nun auf zwölf Monate an, spart also Aufwand und Zeit.

Außerdem sollen Pauschalen das Arbeitslosengeld II vereinfachen. Zukünftig werden die Heiz- und Wohnungskosten beispielsweise gemeinsam verrechnet. Das sei allerdings nicht immer zum Vorteil der Arbeitslosen:

Das heißt also, der Arbeitslose kann durch das Sparen von Heizkosten eben Geld gewinnen. Aber wenn er nicht sparen kann – zum Beispiel, weil er in einer schlecht isolierten Wohnung wohnt – dann muss er aus der eigenen Tasche drauflegen. – Johannes Jakob, Arbeitsmarktexperte vom Deutschen Gewerkschaftsbund

Das ist die bereits neunte Hartz IV-Reform in elf Jahren. Die Opposition hat der großen Koalition im Bundestag nicht zugestimmt. Die Reform muss noch durch den Bundesrat bestätigt werden.

Ungehörte und gehörte Kritik

Doch Kritiker sehen durchaus bedenkliche Punkte. Auch Ein-Euro-Jobs sollen für längere Zeiträume vergeben und damit planbarer werden. So können Arbeitlose in der Form dann 36 statt 24 Monate tätig sein.

Bei fehlerhaft ausgefüllten Anträgen müssen Betroffene künftig mit weniger Kulanz rechnen. Das entlastet die Jobcenter-Mitarbeiter, bedeutet aber mehr Bringpflichten für die Antragsteller:

In der Regel ist der Arbeitssuchende die schwächere Person: Bekommt Pflichten aufgedrückt, aber zu wenig Hilfen. – Johannes Jakob

Andere Kritikpunkte am Gesetzentwurf wurden hingegen in den monatelangen Verhandlungen entschärft. So werden ältere Arbeitslose doch nicht sanktioniert, wenn sie sich gegen eine Frühverrentung mit 63 Jahren entscheiden. Der Gesetzesentwurf hatte das vorgesehen.

Auch für alleinerziehende Empfänger wurden die Sanktionen nicht verschärft: So waren ursprünglich dann Abzüge bei den Leistungen vorgesehen, wenn der andere Elternteil einen Verdienst hat – und das auch dann, wenn das Kind bei der arbeitslosen Person wohnt.

Über die Folgen der sogenannten „Rechtsvereinfachung“ hat detektor.fm-Moderator Alexander Hertel mit Johannes Jakob gesprochen. Er ist Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Man muss die sechs Millionen Leute aus dem System herausbekommen, indem man andere Wege aufzeigt. […] Dadurch könnte man nach unserer Einschätzung die Zahl der Menschen von sechs auf vier Millionen reduzieren.Johannes Jakob