Ist das gerecht? | Auschwitz-Prozess im Landgericht Neubrandenburg

„Das größte Versagen der Justiz“

Der ehemalige SS-Sanitäter Hubert Zafke musste sich vor dem Neubrandenburger Landgericht wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Nun hat das Gericht den Vorsitzenden Richter nach einem Antrag der Nebenklage für befangen erklärt und vom Prozess ausgeschlossen.

Der letzte Auschwitz-Prozess?

Die Zahl der Prozesse um die Verbrechen in Auschwitz ist in den letzten Jahren gesunken. Wird aber einer geführt, so sorgt er meistens für Aufruhr. Manchmal erzählen die Überlebenden. Die Angeklagten schweigen meist und starren in die Gegend.

Viele haben vermutet, dass mit der Verurteilung des ehemaligen SS-Wachmannes Reinhold Hannig, der letzte Auschwitz-Prozess zu Ende gegangen sei. Aber das Gerichtsverfahren um den ehemaligen SS-Sanitäter Hubert Zafke zeigt, dass dem nicht so ist. Es zeigt auch, dass die Justiz schwere Fehler in Fragen der Aufarbeitung der NS-Verbrechen gemacht hat:

Man muss, auch wenn es zynisch klingt, sagen, dass dieses katastrophale Verfahren als möglicher Abschluss der NS-Strafverfolgung einfach passt. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt

Wenige Wochen

Die Staatsanwaltschaft Schwerin wirft Zafke vor, als Angehöriger der SS-Sanitätsstaffel vom 15. August bis zum 14. September 1944 „das arbeitsteilige Lagergeschehen unterstützt zu haben.“ Spätestens seit Oktober 1943 soll er über den Anlauf der Massentötungen, deren Hintergründe und deren Zielrichtung Bescheid gewusst haben. So heißt es in der Anklageschrift.

Nur wenige Wochen hatte der heute 96-jährige im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gearbeitet. Weil in diesem Zeitraum aber 14 Züge mit jüdischen Häftlingen eintrafen, wird Zafke wegen Beihilfe in mindestens 3.681 Fällen angeklagt.

Richter behinderte das Verfahren

Doch wie es mit dem Prozess weitergeht, ist nun unklar. Am Freitag wurden der Vorsitzende Richter Klaus Kapisch und die beiden Richter Brinkmann und Elfers wegen Befangenheit abgelehnt. Schon mehrfach hatten Staatsanwaltschaft und Nebenkläger erfolglos Anträge auf Befangenheit gestellt.

Kapisch hatte den Prozess ihrer Meinung nach von Anfang an verschleppt und boykottiert. Der Vorsitzende Richter wollte das Hauptverfahren gar nicht erst zulassen. Als es nach einem Eingriff des Oberlandesgerichts Rostock gegen seinen Willen dennoch stattfand, legte er das Hauptaugenmerk auf den gesundheitlichen Zustand des Angeklagten. Außerdem hatte der Richter zunächst versucht, den Nebenkläger, einen Auschwitz-Überlebenden, nicht zum Verfahren zuzulassen. Das Oberlandesgericht griff erneut ein und ließ die Nebenklage zu.

Über die Einzelheiten und historischen Hintergründe zum Auschwitz-Prozess hat sich detektor.fm-Moderatorin Juliane Neubauer mit Rechtsanwalt Achim Doerfer unterhalten.

Die Verfahrensbeteilligten können nur darüber spekulieren, warum sich das Gericht hier so verhalten hat. Eine rechte Gesinnung gab es hier offenbar nicht.Achim Doerfer 

Redaktion: Robin Hatting

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