Marcus Böick über „Die Treuhand“

„Langfristige Folgen, die sich bis heute zeigen“

Der Treuhand haften seit der Wende viele negative Erinnerungen an. Bisher haben sich nur wenige Wissenschaftler damit beschäftigt. Marcus Böick hat nun die erste zeithistorische Untersuchung vorgelegt.

Die Treuhand

Die Treuhandanstalt gilt bis heute als eine der umstrittensten Institutionen in der deutschen Geschichte. In den 1990er-Jahren soll sie den sogenannten „Vermögens-Umbau“ regeln und aus der ostdeutschen Plan- eine Marktwirtschaft machen. Für viele Westdeutsche gilt die Treuhand bis heute als alternativlos, für viele Ostdeutsche allerdings als rabiat und herabwürdigend. Fehler, Kriminalitität und Skandale häufen sich in ihrer Geschichte.

Grautöne belichten und Stereotypen abbauen

Mit diesen schwarz-weißen Bewertungen möchte der Historiker Marcus Böick in seinem Buch „Die Treuhand. Idee – Praxis – Erfahrung 1990–1994“ aufräumen. Dazu hat er sich vor allem der Perspektive ehemaliger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angenommen.

Böick ist einer der wenigen Historiker, die sich mit dieser Zeit in Deutschland beschäftigen. Die Forschung hat sich bisher eher auf die Zeit der friedlichen Revolution zwischen 1989 und 1990 konzentriert.

Die Heldengeschichte über die frohe Vereinigung von Ost und West lässt sich einfach besser erzählen. – Marcus Böick, Historiker

Im Gegensatz dazu findet man aus seiner Sicht in der durchwachsenen Geschichte der Treuhandanstalt vor allem Grautöne.

Kulturelle Ebene vergessen

Bei der Aufarbeitung dieser Grautöne wird vor allem eines klar: Die Konsequenzen des damaligen Handelns spüren wir noch heute. Der „durchgeprügelte“ Prozess des Vermögens-Umbaus hat viele Menschen gekränkt und ohne Vertrauen in die neue Demokratie zurückgelassen.

Im deutschen Fall hätte man sicherlich stärker die kulturelle Dimension mit berücksichtigen sollen. Man hätte die Ostdeutschen viel stärker und auf verschiedenen Ebenen in den Prozess mit einbinden müssen, sowohl materiell als auch kulturell. – Marcus Böick

Ein Fehler, der sich nach Meinung des Autors nun in den Wahlergebnissen niederschlägt. Ob die Bundespolitik inzwischen daraus gelernt hat, zum Beispiel im Hinblick auf den Umgang mit der Griechenlandkrise, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Bernadette Huber mit dem Historiker Marcus Böick gesprochen. Sein Buch „Die Treuhand“ ist im Wallstein Verlag erschienen.

Gerade die Entwicklungen und Wahlergebnisse der letzten Monate haben zu einem Perspektiv-Wechsel geführt. Man hat erkannt, dass es scheinbar nicht einfach weggeht, wenn man nicht darüber redet.Marcus Böick