Merkel tritt wieder an, EU berät über Türkei-Kurs

Wo sind die Alternativen?

Angela Merkel strebt eine vierte Amtszeit an. Als Kanzlerkandidatin „alternativlos“, sagen Kommentatoren, zumindest innerhalb der CDU. Derweil wird klar, dass ein EU-Beitritt der Türkei längst nicht mehr alternativlos ist. Und auch auf Zypern liebäugelt man mit Alternativen: mit einer Wiedervereinigung nach mehr als 40 Jahren Spaltung. Ein Blick auf das, was diese Woche wichtig wird.

Merkel und die vierte Amtszeit

„Keine Experimente“. So lautete mal ein Wahlkampf-Slogan der CDU zu Zeiten Konrad Adenauers – einer dieser Kanzler übrigens, die auch nach einem Jahrzehnt im Amt die Macht einfach nicht abgeben konnten. „Keine Experimente“ könnte nun auch der Subtext in Angela Merkels Ankündigung sein, für eine vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin bereitzustehen.

Gestern hat sie bekannt gegeben, die CDU bei der Bundestagswahl 2017 als Kanzlerkandidatin anführen zu wollen. Es steht ein Wahlkampf unter neuen Vorzeichen an: Seit der letzten Bundestagswahl 2013 hat es eine sogenannte Flüchtlingskrise gegeben, den Aufstieg der AfD, den Brexit, die Wahl eines Donald Trump – und viel Kritik für Merkels innen- und europapolitischen Kurs. Zumindest innerhalb der eigenen Partei scheint eine Merkel-Kandidatur „alternativlos“.

Sie hatte offenbar Lust – und vielleicht auch das Verantwortungsgefühl – jetzt noch einmal anzutreten und dafür zu sorgen, dass zum einen die EU nicht verfällt und zum anderen in internationale Krisen auch eine gewisse Stabilität gibt.“ – Till Schwarze, ZEIT ONLINE

Türkischer EU-Beitritt vor dem Aus?

Als alternativlos galt in der Türkei bisher auch ein Betritt zur Europäischen Union. Doch das ändert sich nun. Gerade erst hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan offenbar über die Verhandlungshaltung von Brüssel geärgert. „Die EU hält uns seit vollen 53 Jahren hin“, soll Erdogan im Kreise von Journalisten gesagt haben.

Tatsächlich könnte dieses „Hinhalten“ noch diese Woche vorbei sein, denn das EU-Parlament berät und entscheidet darüber, ob die Beitrittsverhandlungen nun komplett abgebrochen werden. Sollte dieser Fall eintreten, besteht Erdogans Plan B laut der türkischen Zeitung Hürriyet in ein einer Annäherung an Russland und China.

Zyperns Wiedervereinigung rückt näher

Dass es Alternativen zu den Taktiken „Hinhalten“ und „Konfrontation“ gibt, könnte nun ausgerechnet der Zypern-Konflikt zeigen. Seit 1974 ist die Mittelmeerinsel in einen griechischen Teil im Süden und einen türkischen Teil im Norden der Insel geteilt: Jetzt, mehr als 40 Jahre nach der Teilung, scheint eine Wiedervereinigung in greifbarer Nähe.

Continuing at Mont Pelerin near Geneva today: #Cyprus talks. Stay tuned for updates! https://t.co/rlrdWEUrZH pic.twitter.com/fAWcvWUTK8

— UN Geneva (@UNGeneva) 20. November 2016

Schon am 7. November haben sich zwei Volksgruppenführer griechischer und türkischer Zyprer, Nikos Anastasiades und Mustafa Akinci, zu Gesprächen in der Schweiz getroffen. Nach kurzer Pause gehen die Gespräche seit Sonntag in Mont Pèlerin am Genfer See weiter: Bis einschließlich Dienstag gehen die Verhandlungen unter UN-Schirmherrschaft so in eine entscheidende Phase.

Erdogan hat in diesem Punkt einmal tatsächlich auch recht: Die EU hält die Türkei quasi seit 53 Jahren hin mit den Beitrittsgesprächen, die seitdem – zumindest formal – geführt werden.Till Schwarze 

Über diese Themen spricht Till Schwarze, Chef vom Dienst bei ZEIT ONLINE, mit detektor.fm-Moderator Lucas Kreling.


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Redaktion