Schulstart für Flüchtlingskinder

Überforderung pur

Jedes Kind in Deutschland hat das Recht auf Bildung. Die Länder haben dieses zu gewährleisten – das gilt auch für Flüchtlingskinder. Doch wie plant man den Unterricht in der Schule, wenn man nicht mal weiß, wie viele Kinder kommen werden? In NRW weiß das trotz Schulbeginn noch niemand so richtig.

Eine schwer einschätzbare Situation

Sie brauchen Deutschunterricht, eine spezielle Betreuung, manche sind noch nie zur Schule gegangen, andere haben sehr gute Kenntnisse in Englisch oder Mathe. Auf Flüchtlingskinder muss in der Schule ganz besonders eingegangen werden. Und das könnte an mancher Schule nach den Sommerferien zu einem Problem werden. Denn es fehlt überall an Personal. Wie viel genau, lässt sich nicht sagen, denn auch die Zahl der Flüchtlingskinder kann nur geschätzt werden. Für Nordrhein-Westfalen rechnet das Schulministerium in Düsseldorf mit 10.000 schulpflichtigen Flüchtlingskindern in diesem Jahr.

Also die wirklich ganz große Zahl von Flüchtlingskindern und Jugendlichen, damit hatte so niemand gerechnet. – Dorothea Schäfer, Landesvorsitzende Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen.

Nordrhein-Westfalen ist in diesem Jahr der Vorreiter. Am Mittwoch hat dort die Schule wieder angefangen. In NRW herrscht Schulpflicht für jedes Kind. Das ist nicht in allen Bundesländern so.

Über 100.000 Flüchtlingskinder im schulfähigen Alter sollen es dieses Jahr bundesweit sein. Wo diese dann auf Dauer leben werden, steht erst fest, wenn sie die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen können. An den richtigen Stellen Personal einzuplanen ist somit schwierig. Zusätzlich kann es dauern, bis für die weiteren Lehrer Gelder zur Verfügung stehen. Nicht jedes Land kann sich das leisten.

Intensive Betreuung

Kinder, die aus Krisengebieten nach Deutschland kommen, haben Schlimmes erlebt. Sie sind oft traumatisiert und verstört. Auf der einen Seite tut es ihnen gut, zur Schule zu gehen. Sie haben einen geregelten Tagesablauf, lernen andere Kinder, das Leben in Deutschland und die Sprache kennen. Für ihre Integration ist der Schulbesuch wichtig. Trotzdem dürfen die Kinder mit ihren Traumata nicht allein gelassen werden. Vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge benötigen eine intensive psychologische Betreuung. Die kann von Lehrern nicht geleistet werden. Weil ihnen dafür zum einen die Ausblidung fehlt, zum anderen die zeitlichen Kapazitäten nicht vorhanden sind. Es werden Sozialarbeiter und Psychologen gebraucht. Doch bei den Kommunen fehlt es dafür an Geld. Die Kosten für einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling liegen im Monat bei rund 4.000 Euro. Diese Kinder werden nach dem Jugendhilferecht versorgt, benötigen eben besondere Betreung. Es dreht sich vor allem um mehr finanzielle Mittel. Woher die kommen sollen, dazu gibt es in den einzelnen Ländern noch keine Pläne.

Neue Situation im Klassenzimmer

Auch Lehrer und einheimische Kinder werden sich an die neue Situation gewöhnen müssen, denn nicht alle Flüchtlingskinder werden in speziellen Förderklassen sein. Die Lehrer stehen damit vor der Aufgabe, die Flüchtlingskinder mit dem richtigen Gespür in ihre Klassen zu integrieren.

Es gibt einen ganz dringenden Fortbildungsbedarf. Die Lehrkräfte müssen die Möglichkeit haben, sich schnell zu informieren und gegebenenfalls auch nochmal Hilfe dazu zu holen. – Dorothea Schäfer, Landesvorsitzende Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen.

Über die Situation von Flüchtlingskindern in Schulen in Nordrhein-Westfalen hat detektor.fm-Moderatorin Teresa Nehm mit der Landesvorsitzenden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft NRW, Dorothea Schäfer gesprochen.

Wir fordern ein Recht auf Bildung auch für ältere Flüchtlinge.Dorothea Schäfer 

Redaktion: Maren Schubart