Wenn Staatsdiener in die Wirtschaft wechseln

Der „Drehtür-Effekt“

Ein ehemaliger FBI-Chef soll im VW-Skandal für das Unternehmen vermitteln. Auch in Deutschland wechseln ehemalige Staatsbedienstete nach ihrer Amtszeit zu Großkonzernen. Was steckt hinter dem „Drehtür-Effekt“?

Ein Geheimdienstler für den angeschlagenen VW-Konzern? Im Skandal um gefälschte Abgaswerte soll der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh nun zwischen dem deutschen Autobauer und der US-Justiz vermitteln. Auf der Hand liegt, dass sich VW damit auch die guten Kontakte einkauft, die Freeh zu den US-Behörden hat.

Auch in Deutschland wechseln ehemalige Staatsdiener zu Großkonzernen. Die Unternehmen profitieren vom Netzwerk, das die neuen Mitarbeiter mitbringen. Kritikerinnen und Kritiker befürchten dagegen, dass ein Minister seine Politik schon im Amt den Interessen zukünftiger Unternehmen anpassen könne.

Der „Drehtür-Effekt“

Der Austausch zwischen Staat und Unternehmen sorgte in den letzten Jahren immer wieder für Aufsehen. Beispiele werden bei Lobbypedia gesammelt, dabei finden sich auch viele bekannte Namen. Drei Beispiele:

Bis September 2013 war Eckart von Klaeden (CDU) Staatsminister unter Bundeskanzlerin Merkel. Nur ein paar Wochen später war er dann als Chef-Lobbyist bei Daimler unter Vertrag.

Ex-Minister Daniel Bahr (FDP) wechselte Ende 2014 zur Allianz Krankenversicherung. Für den Konzern war das ein großer Wurf, denn mit diesem Arbeitsbereich ist Bahr bestens vertraut – er war zuvor Gesundheitsminister.

Es ist ein großer Vorteil, wenn man im Lobbywettbewerb Spitzenpolitiker auf der eigenen Seite hat. – Timo Lange, Lobbycontrol

Viel Kritik erhielt Dirk Niebel (FDP) für seinen Wechsel. Denn der ehemalige Entwicklungsminister entwickelte für seine berufliche Zukunft ein ganz besonderes Modell: Er bekommt heute Gehalt vom Rüstungshersteller Rheinmetall. Der deutsche Rüstungskonzern verkauft Waffen in viele Länder der Welt – und es steht die Frage im Raum, ob Niebel Regierungskontakte und sein Wissen um globale Konflikte nun dem Konzern zur Verfügung stellt.

„Karenzzeit“ gilt nicht automatisch

Im Juli letzten Jahres wurde der Druck auf die Politik dann doch zu groß. Der Bundestag verabschiedete ein Gesetz, das die sogenannte „Karenzzeit“ regelt. Ein Jahr lang – in Ausnahmefällen sogar 18 Monate – kann es einer Ministerin oder einem parlamentarischen Staatssekretär nun verboten werden,  für ein Unternehmen zu arbeiten. Für wen so eine „Abkühlungsphase“ nach Amtsende gelten soll, darüber entscheidet die Bundesregierung.

Diese Regelungen gehen weiten Teilen der Bevölkerung nicht weit genug. Der Zeitraum sei zu kurz, um Wirkung zu zeigen. Organisationen wie LobbyControl und Amnesty International fordern deshalb bis zu 3 Jahre Zwangspause – damit das Wissen und die Kontakte „abkühlen“ können.

Für viele Fälle aber kommt all das zu spät: Eine Reihe ehemaliger Staatsbedienstete steht heute auf der Gehaltsliste von Großkonzernen. Doch wie funktioniert das sogenannte Drehtür-Prinzip? Und werden überhaupt alle Fälle bekannt?

Über diese Fragen haben wir mit Timo Lange gesprochen. Er leitet den Arbeitsbereich „Seitenwechsel“ bei LobbyControl.

Es besteht die Gefahr, dass jemand auf Seiten der Bundesregierung am Gesetzgebungsverfahren beteiligt war und dann von der Lobbyseite aus am gleichen Gesetzgebungsprozess mitwirkt. Und das wäre in der Tat ein Problem.Timo Lange 

Redaktion: Sebastian Kränzle