Stadtgespräch | Asylgegner in Sachsen-Anhalt

Ein Rücktritt als Rückschlag für die Demokratie

Über Wochen hat der Oberbürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, Anfeindungen gegen sich und seine Familie ertragen. Am vergangenen Sonntag wollten die Asylgegner eine Kundgebung vor seiner Haustür abhalten und zwangen ihn damit zum Rücktritt. Was geschieht dort – in Sachsen-Anhalts Provinz?

Rückblick auf die Ereignisse

Keine Frage, ein Ortsbürgermeister ist Kritik an seinen Entscheidungen gewöhnt – doch was sich während der letzten Wochen in Tröglitz abspielte, geht über Kritik hinaus. Seit Wochen versammeln sich bis zu 150 Menschen in Tröglitz um gegen die geplante Aufnahme von 40 Asylberwerbern im Ort zu demonstrieren. Was mit einer Handvoll Einheimischen begann, ist inzwischen ein Tummelplatz von NPD-Mitgliedern aus der Umgebung. Am vergangenen Sonntag beantragten die Veranstalter eine Kundgebung vor dem Wohnhaus des ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters Nierth, der sich für die Aufnahme stark machte. Nierth hatte das Gefühl, dass die genehmigende Behörde nicht entschlossen widersprach und trat deswegen zurück. Er wirft den Behörden in einem offenen Gemeindebrief vor, dass sie ihm „nicht mal einen Mindestschutz seiner Familie gewähren“. Überhaupt sei auch die Zahl seiner Unterstützer im Ort überschaubar, sagt Nierth. Gleichzeitig sei die Zahl der Asylgegner von Woche zu Woche gewachsen.

Landes- und Bundespolitiker reagieren entsetzt

Der Fraktionschef der Linkspartei im Magdeburger Landtag, Wulf Gallert,  sagte dem Tagesspiegel im Hinblick auf die Ereignisse:

Wenn solche Leute wie Markus Nierth, die sich für ein solidarisches und weltoffenes Sachsen-Anhalt einsetzen, isoliert werden, dann gehen wir den Weg in eine kalte und rassistische Gesellschaft.

Gegenüber der Berliner Zeitung warnte Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen:

 Wenn sich in unserer rechtsstaatlichen Demokratie ein gewählter Bürgermeister vor einem braunen Mob nicht mehr geschützt sieht, müssen alle Alarmglocken schrillen.

 

Über die Folgen der Vorfälle in Tröglitz,  passende Reaktionen und den Umgang mit Flüchtlingen in unserer Gesellschaft hat detektor.fm-Moderator Alexander Hertel mit Anetta Kahane gesprochen. Sie ist Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, die sich sich seit 1998 für eine Zivilgesellschaft einsetzt, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet.

Diejenigen, die sich aktiv für Flüchtlinge einsetzen haben es oft mit einer Atmosphäre zu tun, die ihnen gegenüber feindlich gesinnt ist. […] Die entscheidende Frage ist, wie man diejenigen, die für demokratische Werte einstehen, schützt.Anetta Kahane 

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Redaktion: Robin Theodor Schäfer