Unruhen in Asylbewerberheimen

Wovon keiner etwas wissen wollte

Die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat in der thüringischen Landespolitik Spuren hinterlassen. In einer Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Suhl kam es zunächst unter den Bewohnern und später dann mit der Polizei zu Unruhen mit rund 15 Verletzten. Als Konsequenz will Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow Asylbewerber künftig getrennt nach Ethnien unterbringen. Ist das die Lösung?

Es musste erst eskalieren, bevor Politik und Medien reagieren. Dabei sind Streit und auch Gewalt unter den Bewohnern von Asylbewerberheimen und Erstaufnahmeeinrichtungen keine Seltenheit.

Die Geflüchteten müssen auf engstem Raum mit wildfremden Menschen zusammen leben. Pro Person sind in den Gemeinschaftsunterkünften zwischen sechs und sieben Quadratmeter ‚Wohnraum‘ vorgeschrieben oder vorgeschlagen, das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Privatsphäre gibt es kaum.

 

Unruhen vorprogrammiert?

Mitunter kommt hier zusammen, was sich in der Heimat bekämpfte. Es kann passieren, dass Angehörige verfeindeter Parteien oder Religionen sich plötzlich ein Zimmer teilen müssen.

In Lagern zusammengepfercht, ohne Sanitärausrüstung, ohne Perspektive auf eine sichere Zukunft: dann ist ganz klar, dass da Konflikte entstehen. – Patrick Irmer, Sächsischer Flüchtlingsrat

Traumata und sprachliche Barrieren erschweren die Situation noch. Die sind auch für die Betreuer und Ehrenamtlichen ein Problem. Konflikte können sie durch fehlende Sprachkenntnisse nur schwer lösen. Außerdem werden sie für ihre Arbeit nicht richtig ausgebildet. Sie kennen die kulturellen Hintergründe der Menschen oft nicht gut genug, können Konflikte unter den Bewohnern deswegen nur schwer einordnen, geschweige denn lösen.

Situation unterschätzt?

Länder und Kommunen kommen bei der Unterbringung und adäquaten Versorgung der Asylbewerber nicht mehr nach. Es fehlt an allem: Unterkünfte, Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das die Asylanträge bearbeitet, psychologische Betreuung und vor allem Geld.

Zwar hat der Bund die eigentlich für 2016 geplante Flüchtlingshilfe von 500 Millionen Euro für die Länder auf dieses Jahr vorgezogen, reichen wird das aber nicht. Die am Mittwoch nach oben korrigierten, erwarteten Flüchtlingszahlen von 800.000 Personen in diesem Jahr lassen die Kosten steigen: Rund 10 Milliarden Euro für Verpflegung, Unterbringung und Betreuung werden geschätzt. Eine Summe, die die Länder kaum alleine tragen können.

Über die Unterbringung von Asylbewerbern wird derzeit viel diskutiert. Ob Fehler bei der Unterbringung und Verteilung von Asylbewerbern und Flüchtlingen gemacht werden, welche das sind und wie man sie lösen könnte, hat detektor.fm-Moderatorin Constanze Müller mit Patrick Irmer vom Flüchtlingsrat Sachsen gefragt.

Es ist in der Regel nicht eine belanglose Provokation, die der ausschlaggebene Punkt ist, sondern es sind Stresssituationen vorangestellt, die abgebaut werden müssen. Man braucht eine soziale Betreuung, die die Menschen vor Ort unterstützt.Patrick Irmer 

Redaktion: Maren Schubart