Zitrusfrüchte mit Chlorpyrifos

Gift statt Vitamin

Ende der Woche verhandelt die EU über die erneute Zulassung des Insektizids Chlorpyrifos, mit dem Zitrusfrüchte gespritzt werden.

Was die Pflanze schützt, schadet dem Mensch

Das C steckt im Namen, aber es ist kein Vitamin. Chlorpyrifos heißt ein Insektizid, das häufig auf Zitrusfrüchte wie Orangen, Mandarinen, Zitronen oder Grapefruits gespritzt wird. Die Pflanzen schützt es vor Insektenbefall, aber dem Menschen schadet es. Das Pflanzenschutzmittel schädigt vor allem das Gehirn und bereits dessen Entwicklung im Mutterleib. Beispielsweise soll das Mittel den Intelligenzquotienten senken und Aufmerksamkeitsstörungen verursachen. An Ratten haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass Chlorpyrifos sich bereits in kleinsten Mengen auf das Gehirn auswirkt: Die Rattenhirne schrumpfen.

Ende dieser Woche stimmen die EU-Mitgliedsstaaten darüber ab, ob Chlorpyrifos ab 2020 weiterhin zugelassen ist. Denn im Juli diesen Jahres hat die EFSA das Insektizid neu bewertet und kommt zu dem Schluss, dass Chlorpyrifos die Zulassungskriterien nicht mehr erfüllt.

Die Verfahren sind komplex und brauchen ihre Zeit. Man kann den EU-Behörden nicht unterstellen, nicht aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen zu lassen – aber die Mühlen mahlen langsam. Im Fall Chlorpyrifos wurde der Druck seitens der NGOs erhöht, sodass die EU-Kommission sich schneller damit befasst. − Eva Achinger, Journalistin bei BR Recherche

Vergiftetes System

Seit 2006 darf das Mittel EU-weit eingesetzt werden. Insbesondere die sogenannten „Zitrus“-Staaten Griechenland, Zypern, Spanien und Italien, die die Zitrusfrüchte anbauen und exportieren, unterstützen den Einsatz des Insektizids. Verboten ist das Mittel in Deutschland und Dänemark, die Dänen erwägen sogar ein Importverbot für mit Chlorpyrifos behandelte Früchte.

Inzwischen ist nicht mehr nur das Insektizid an sich umstritten, sondern auch das EU-Gutachten an sich. Denn einige Passagen in EFSA-Abschlussberichten sind wortgleich zu Zeilen in den Studien der Hersteller des jeweiligen Insektizids. Das wirft die Frage auf, ob die EFSA Herstellerangaben zu den Risiken von Chlorpyrifos tatsächlich geprüft hat. Ist ein Pestizid einmal zugelassen, wird es erst zehn oder fünfzehn Jahre später erneut geprüft. Um das Zulassungsverfahren für Pestizide transparenter zu machen, arbeitet derzeit ein EU-Sonderausschuss an Vorschlägen.

Ob und welche Zitrusfrüchte noch guten Gewissens essbar sind und wieso Chlorpyrifos bisher zugelassen war, bespricht detektor.fm-Moderatorin Anja Bolle mit der BR-Recherche-Journalistin Eva Achinger.

Im Rahmen einer grenzüberschreitenden Kooperation unter der Leitung von Investigative Reporting Denmark mit Journalisten von „Knack“ in Belgien, „Le Monde“ in Frankreich, „VG“ in Norwegen, „Newsweek“ in Polen und „Ostro“ in Slowenien hat Eva Achinger zu Chlorpyrifos recherchiert. Weitere Partner der Kooperation sind „El Confidential“ in Spanien, die „Süddeutsche Zeitung“ und der Bayerische Rundfunk in Deutschland sowie das Midwest Center for Investigative Reporting in den USA. Die Recherche wird von Journalismfund.eu und n-ost unterstützt.Eva Achinger 

Redaktion: Nadja Häse

Moderation