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Ist die Unabhängigkeit vom Tisch?

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ist zurückgetreten. Nun stehen Neuwahlen bevor: Wie unabhängig kann Schottland werden?

Schottland: Gesicht der Unabhängigkeit tritt ab

Mitte Februar hat die schottische Regierungschefin und Vorsitzende der Regierungspartei SNP, Nicola Sturgeon, nach über acht Jahren im Amt überraschend ihren Rücktritt von ihren Ämtern angekündigt. Kaum eine andere Politikerin in Edinburgh hat sich so für die schottische Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich eingesetzt wie Sturgeon. Sie ist nach dem gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum von 2014 und dem in Schottland umstrittenen Brexit zum Gesicht der schottischen Unabhängigkeitsbewegung ausgestiegen. Sturgeon hatte zudem für den kommenden Herbst ein Unabhängigkeitsreferendum in Aussicht gestellt.

Ab heute wird die Basis der SNP nun eine neue Parteispitze wählen. Doch möchte die neue Regierungsspitze die Unabhängigkeit Schottlands genauso zielstrebig verfolgen wie ihre Vorgängerin? Und was für eine Form könnte eine Unabhängigkeit von London eigentlich annehmen?

Der politische Fokus in Schottland hat sich schon ein wenig gewandelt – weg von der Unabhängigkeit, hin zu aktuelleren Themen. Weil die Kandidierenden erkannt haben, dass das momentan eigentlich kein Thema ist, mit dem man gewinnen kann und das die Menschen in Schottland so sehr interessiert.

Philipp Adorf, Politikwissenschaftler

Foto: privat

Wohin steuert die schottische Unabhängigkeit?

Knapp die Hälfte der Wählerinnen und Wähler in Schottland hatten bei der letzten Wahl für die Unabhängigkeitsparteien SNP und die Green Party gestimmt. Bei den potenziellen Nachfolgern und Nachfolgerinnen Sturgeons steht das Thema schottische Unabhängigkeit allerdings weniger weit oben auf der politischen Agenda. Die komplette Loslösung vom Vereinigten Königreich in naher Zukunft erscheint außerdem zunehmend unrealistisch: Der konservative britische Premier Rishi Sunak hatte einem neuen Unabhängigkeitsreferendum ebenso eine Absage erteilt wie der Oberste Gerichtshof des Königreichs.

Das große Ziel Sturgeons wird auch in den kommenden Jahren unvollendet bleiben. Deutlich realistischer scheint dagegen ein Modell namens „devolution max“, also maximaler Föderalismus und eine fiskale Unabhängigkeit von London. Nach diesem Modell hätte Schottland eine größere Kontrolle über die eigenen Finanzen und wäre weniger weisungsgebunden.

Ist Schottlands Unabhängigkeit damit also endgültig vom Tisch? Und in welche politsche Richtung wird sich Schottland nun mit der neuen politischen Führung entwickeln? Darüber spricht detektor.fm-Moderator Gottfried Haufe mit Philipp Adorf. Er ist Politikwissenschaftler an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und beschäftigt sich unter anderem mit der Entwicklung der schottischen Unabhängigkeit.