Zurück zum Thema | Tunesien

Ist die tunesische Demokratie am Ende?

Tunesiens Präsident hat am Montag über eine neue Verfassung abstimmen lassen. Laut Umfragen hat die Mehrheit für den umstrittenen Entwurf gestimmt. Eine Gefahr für die Demokratie?

Kais Saied: Als Quereinsteiger in die Politik 

Im Oktober 2019 wurde Kais Saied in Tunesien zum neuen Präsidenten in Tunesien gewählt. Er war der zweite demokratisch gewählte Präsident, der nach den arabischen Aufständen 2011 das Land anführte. Tunesien war dabei als einzigem Land in der Region der Übergang zur Demokratie gelungen. Kais Saied trat schließlich als Quereinsteiger ohne Partei und praktische politische Erfahrung die Wahl zum Staatsoberhaupt 2019 an. „Das Volk will“, lautete sein Wahlslogan damals. Seinen vor allem jungen Wählern hat Kais Saied direkte Demokratie und mehr Gewicht für die einzelnen Regionen Tunesiens versprochen.

Im letzten Jahr kam es allerdings zu Massenprotesten gegen die Corona- und Wirtschaftspolitik der Regierung. Daraufhin hat er den damaligen Regierungschef abgesetzt, das Parlament aufgelöst und zunehmend die Kontrolle über die Justiz übernommen. Seither ist das Land gespalten in Anhänger und Gegner dieser Schritte.

Tunesien: Demokratie am Ende?

Am Montag hat Saied nun über einen neuen Verfassungsentwurf abstimmen lassen. Dieser sieht unter anderem vor, dass der Präsident die Regierung und auch Richter ernennen und entlassen kann. Insgesamt würde so noch mehr Macht beim Staatsoberhaupt liegen. Das könnte das endgültige Ende der Gewaltenteilung in dem Land bedeuten.

Das Staatsoberhaupt – das ist wirklich sehr tragisch – kann selbst nicht mehr durch das Parlament entlassen werden, sondern kann nur noch durch eine Bevölkerungswahl ausgesetzt werden. Es gibt keine Mechanismen mehr zur Entlassung des Staatspräsidenten.

Svenja Bode, Referentin für das Referat Naher/Mittlerer Osten und Nordafrika bei der Friedrich-Ebert-Stiftung e.V.

Foto: Friedrich-Ebert-Stiftung

Ist die Demokratie in Tunesien bald am Ende? Darüber spricht detektor.fm-Moderator Yannic Köhler mit Svenja Bode. Sie ist Referentin für Nordafrika bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.