Zurück zum Thema | Wahlen in Bangladesch

Ein Land auf dem Weg in die Autokratie?

Bangladesch hat in den vergangenen Jahrzehnten ein starkes Wachstum erlebt. Politisch wird es jedoch immer autoritärer regiert. Was bedeutet die Wahl für das Land in Südasien?

Langzeit-Premierministerin steht vor Wiederwahl

Die Wahl in Bangladesch wird zwar international aufmerksam verfolgt. Das Ergebnis scheint aber bereits festzustehen: Die seit 2009 ununterbrochen regierende Premierministerin Sheikh Hasina und ihre Partei Awami League (AL) werden wohl auch nach Sonntag die Regierung des südasiatischen Staates weiterführen. Der Grund für diese Prognose ist auch die immer wieder angeprangerte Einschüchterung von Oppositionspolitikerinnen und -politikern. Die größte Oppositionspartei, die Bangladesh Nationalist Party (BNP), boykottiert die Wahl.

Sheikh Hasina ist die Tochter des ersten Präsidenten des Landes, Sheikh Mujibur Rahman, der als Initiator der Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan gilt. Dieser wurde während seiner Regierungszeit in den 1970er-Jahren von Militärs ermordet und wird von vielen Menschen in Bangladesch immer noch als Volksheld verehrt. Sheikh Hasina beruft sich bei Kundgebungen und anderen Anlässen immer wieder auf ihren Vater. Bis zum Jahr 2009 hat sie sich an der Regierung mit der BNP-Politikerin Khaleda Zia abgewechselt. Die BNP hat die Parlamentswahlen in den letzten Jahrzehnten aber immer wieder boykottiert und beschuldigt die Regierung und staatliche Stellen, gegen die demokratischen Grundwerte zu verstoßen.

Wir sehen in den vergangenen Jahren, dass die autokratischen Tendenzen deutlich zugenommen haben.

Dr. Christian Wagner, Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik

Wohin steuert Bangladesch?

Dabei ist vor allem die wirtschaftliche Entwicklung Bangladeschs der vergangenen Jahre eine oft unterschätzte Erfolgsgeschichte: Auch wenn die Textilindustrie des Landes gerade im Westen lange für ihre problematischen Arbeitsbedingungen bekannt war, hat sich der Nachbarstaat Indiens außerordentlich entwickelt. Die Lebensstandards sind stark gestiegen und inzwischen gehen mehr Mädchen als Jungen in die Schulen.

Die Unabhängigkeit ist noch gar nicht so lange her, und dieses Land hat Unfassbares geschafft in diesen 50 Jahren. Und den Leuten geht es besser.

Laura Höflinger, Korrespondentin für Der Spiegel in Südasien

Doch trotz des robusten Wirtschaftswachstums gehen die steigenden Lebenshaltungskosten nicht an der Bevölkerung vorbei. Die Unzufriedenheit bricht sich immer mehr Bahn, gegen alle politischen Repressionen. Die wirtschaftliche Entwicklung weiter zu fördern wird somit zu einer der wichtigsten Herausforderungen von Sheikh Hasinas Regierung in den kommenden Jahren.

Wie die Bevölkerung in Bangladesch auf die aktuellen Entwicklungen in dem Land blickt, erklärt Laura Höflinger. Sie berichtet als Korrespondentin für den SPIEGEL aus Südasien. Außerdem spricht detektor.fm-Moderator Lars Feyen in dieser Ausgabe von „Zurück zum Thema“ mit Dr. Christian Wagner, Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik, über die internationale Bedeutung dieser Wahl.

Redaktion