Die Summe der einzelnen Teile | Sharing Economy: Was sagt die Wissenschaft?

Weniger + weniger = mehr?

Der Begriff hat Hochkonjunktur: Sharing Economy – Geschäftsmodelle, die auf dem Teilen basieren. Egal ob Autos, Ferienwohnungen, Rezepte oder die gute alte Nachbarschaftshilfe. Je mehr Leute teilen, desto mehr Wohlstand für alle. Soweit die Annahme. Doch geht die auf? Was die Wissenschaft heute über Sharing Economy weiß – und was noch nicht. Drei Experten im Interview.

Ein individuelles, gemütliches Zuhause – statt Urlaub in einem anonymen Hotel. Günstig privat mitfahren – statt ein teures Taxi zu bezahlen. Die kaum benutzte Bohrmaschine bequem per Flohmarkt-App verkaufen. Oder die plötzlich benötigte Bohrmaschine von jemandem in der Nachbarschaft leihen, statt sie teuer zu kaufen. All das ermöglicht die Sharing Economy.

Angebote wie AirBnB, Uber oder leihdirwas.de haben alle eines gemeinsam: Sie vermitteln uns Dinge, die wir nur mieten und deswegen nicht mehr kaufen müssen.

Die Sharing Economy ist in aller Munde. Doch was wissen wir heute eigentlich darüber? Und was noch nicht? Ein Blick in die Wissenschaft.


Wer macht mit? Fragen an die Gesellschaftsforscher

Detlef Guertler, Senior Researcher am GDI. Foto: © GDI

Jeder kann beim Sharing mitmachen, ob als Anbieter oder Nutzer. Doch tun das auch alle? Eher nein. Wer also sind die Menschen, die beim Sharing mitmachen?

Detlef Gürtler ist Wirtschaftsjournalist und Senior Researcher am Schweizer Gottlieb Duttweiler Institut, wo man Megatrends und Gegentrends in Wirtschaft und Gesellschaft untersucht. So auch die Sharing Economy.

Warum wir nicht von einer Spaltung in digitale Sharer und nicht-digitale Nicht-Sharer sprechen können, was die Leute teilen wollen, was eher nicht, und vor allem: warum sie das tun – das fragen wir Detlef Gürtler. Er ist Senior Researcher am Gottlieb Duttweiler Institut und Mitautor einer dort durchgeführten Studie zur Zukunft des Teilens.


Wo kommt das her? Fragen an die Historiker

Philipp Mosmann forscht an der Uni Göttingen zu historischen Sharing-Economy-Formen. Foto: privat

Philipp Mosmann ist Wirtschaftshistoriker. An der Uni Göttingen forscht er zur Geschichte von Sharing-Economy-Ansätzen und ist damit auch Teil des Forschungsprojekts „i-share – Impact of the Sharing Economy in Germany“. Und er weiß zwei Dinge:

Erstens: die Sharing Economy ist nix Neues. Das gab es auch früher schon. Nur sah es da anders aus.

Zweitens: Teilen und Verleihen, das war früher mitnichten so sexy, hip und cool, wie wir das heute sehen.

Wie die frühen Formen der Sharing Economy in der Bundesrepublik aussahen und warum das mit Komfort oder gar Luxus wenig zu tun hat, erklärt Philipp Mosmann im Interview.


Wer verdient da eigentlich? Und warum? Fragen an die Wirtschaftswissenschaftler

Prof. David Veit, Inhaber des Lehrstuhls für Information Systems and Management in Augsburg. Foto: privat

Auch wenn alle darüber sprechen: Was genau zur Sharing Economy gehört und was nicht, weiß heute niemand so genau. Und das macht es auch so schwer, den Effekt der Sharing Economy zu messen. Wer gehört dazu? Reicht das Teilen von Ideen oder Arbeitszeit schon aus? Oder muss man klassisch Produkte vermitteln? Wer verdient hier – und wo?

Prof. Daniel Veit von der Uni Augsburg geht der Frage nach, wie die Sharing Economy auf Organisationen, Unternehmen und die Wirtschaft in Deutschland wirkt. Auch er gehört zum Forschungsprojekt „i-share – Impact of the Sharing Economy in Germany“.

Warum wir Deutsche es den Forschern ein bisschen schwer machen, wieso sich das Thema heute noch nicht ohne die klassischen Geschäftsmodelle diskutieren lässt und weshalb es eigentlich so schwierig ist zu entscheiden, wer zur Sharing Economy gehört und wer nicht, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler im Interview.


Sharing Economy – Das sagen Kritiker

Der Sharing Economy stehen nicht alle positiv gegenüber. Die Kritik ist vielgestaltig. Hier einige der häufig genannten Kritikpunkte.

  1. Sharing-Economy-Anbieter würden erst eine Nachfrage schaffen, indem sie Verhaltensmuster trainieren, die zu Anschaffungen führen. Konkret: Wer oft Carsharing nutzt, denkt vielleicht irgendwann daran, ein eigenes Auto zu kaufen.
  2. Das mittels Sharing Economy eingesparte Geld werde an anderer Stelle für Produkte und Konsum ausgegeben. Unterm Strich würde gesamtgesellschaftlich also mehr konsumiert, statt weniger.
  3. Sharing Economy befördere unregulierte Arbeitsmodelle, Ausbeutung und prekäre Beschäftigungssituationen.
  4. Sharing Economy sorge für eine Marktkonzentration. Große Anbieter verdrängen kleine – und hinter den Großen stecken wiederum nur die altbekannten Finanzinvestoren, die nun noch reicher würden.
  5. Der Begriff werde unscharf und erweitert verwendet. Oftmals handele es sich gar nicht um Sharing Economy, sondern schlicht und einfach um ein Geschäft, das etwas vermittelt.
  6. Die Sharing Economy habe kein Gleichgewicht: Die Menschen nutzten gern die Angebote, teilten aber selbst nicht gern. So können neue Formen des Wirtschaftens nicht entstehen.
  7. Sharing Economy definiere Standards, denen nationale Gesetzgeber dann hinterherhinken.

Die Serie über Sharing Economy, das Leben in der Stadt und neue Formen des Besitzens wird präsentiert von
teilAuto – Carsharing in Mitteldeutschland.

“Die Summe der einzelnen Teile” wird präsentiert von teilAuto.

Redaktion