Ist das gerecht? | Big Data und Kreditvergabe

Mit ein paar Klicks zum Kredit

Zeig mir dein Facebook-Profil und ich entscheide, ob ich dir einen Kredit gebe. Dieses Szenario ist bereits jetzt Realität. Denn einige Finanzunternehmen berechnen mit Algorithmen das Surfverhalten ihrer Kunden und beziehen das in die Bewertung mit ein. Datenschutz-Experten sind alamiert.

Seit einer gefühlten Ewigkeit prüfen Banken in Deutschland mit Hilfe der Schufa die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden. Dabei kann die Bank einsehen, ob der Kunde bereits im Zahlungsrückstand ist oder Mahnungen erhalten hat. Doch inzwischen können durch das Surfverhalten viel detailliertere Informationen über die Kreditwürdigkeit zusammengetragen werden.

Schriftart und Akademikerfreunde schlüsseln Charakter auf

Bei der Analyse über das sogenannte Big Data Scoring fließen alle Daten des Nutzers ein, die er über das Internet bereitstellt. Die Klicks werden gezählt, die gewählten Schriftarten geprüft, die besuchten Seiten und Likes ausgewertet. Zwar kann darüber nicht das individuelle Nutzerprofil ausgespäht werden. Dennoch vernetzt das System einzelne Faktoren zu einem Gesamtbild, die eine recht treffsichere Charakteristik über den Nutzer ermöglichen soll. So kann in das Scoring zum Beispiel der Beziehungsstatus in die Bewertung eingehen oder der Anteil von Akademikern in sozialen Netzwerken. Mit Hilfe eines für den Kunden undurchschaubaren Algorithmus kann dann ein umfangreiches Profil über den Kunden und seinen Umgang mit Finanzen erstellt werden.

Kleine Finanzunternehmen mit globaler Sammelwut

Einige Finanzunternehmen bieten mit ihrer selbstprogrammierten Analyse-Software ihren Kunden an, bei ihnen Kredite zu beantragen. Mit dem neuen Geschäftsmodell bieten die Firmen sogenannte Mini-Kredite im Wert von maximal 500 Euro an. Wer den Kredit haben möchte, muss sich der Analyse des Unternehmens unterziehen. Auch eine digitale Bank in Hamburg möchte in diesen Markt einsteigen. „Kreditech“ bietet zwar noch keine Mikrokredite nach Vorbild anderer Firmen wie dem britischen „Wonga“ oder US-amerikanischen „Zestfinance“ an. Doch die Hamburger Jungunternehmer haben große Ziele: Sie wollen eine internationale Bonitätsdatenbank entwickeln. Diese soll es beispielsweise Online-Händlern ermöglichen, auf Kundendaten zuzugreifen.

Noch beruht die Idee darauf, dass Kreditwillige das Scoring freiwillig in Kauf nehmen. Doch Datenschützer schlagen Alarm: Denn das Big Data Scoring macht den Menschen noch gläserner. Die zusammengetragenen Informationen lassen Rückschlüsse auf politische und sexuelle Orientierungen zu. Außerdem ist unklar, wie lange die Daten gespeichert und wem sie am Ende zur Verfügung gestellt werden.

Rechtsanwalt Dr. Achim Doerfer sieht diese neue Möglichkeit der Kreditvergabe kritisch. Der Kunde könne schließlich nie sicher sein, wofür die Daten verwendet werden.

Facebook-Postings umfassen keine Kreditantragsstellung. Mit Big Data werden Daten ausgelesen und neu verwendet, die nicht zu diesem Zweck erstellt wurden.Dr. Achim Doerfer