Mittelstand | EU-Tabakrichtlinie

Inszenierung oder unfaire Behandlung?

Seit Monaten klagen die deutschen Tabakunternehmen über die neuen Vorgaben aus Brüssel. Ihre Kritik: Der Bundestag habe es viel zu eilig gehabt, die EU-Richtlinie umzusetzen und dabei den Mittelständlern zu wenig Zeit gelassen. Was ist dran?

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Seit April 2014 ist klar, dass die Tabakrichtlinie der Europäischen Union kommt – und mit ihr die großen Warnbilder auf den Verpackungen von Zigaretten und Drehtabak. Die EU-Mitgliedsstaaten mussten die Richtlinie bis zum 20. Mai 2016 in nationales Recht aufnehmen. So eindeutig, so einfach die Ausgangssituation. Im Detail scheint die Lage um die Tabakrichtlinie aber komplizierter zu sein, besonders für die mittelständischen Unternehmen.

EU-Tabakrichtlinie: Zu kurze Frist?

Sowohl die großen Konzerne als auch die mittelständischen Unternehmen haben bis zuletzt dafür getrommelt, dass sie mehr Zeit für die Umstellung ihrer Produktionsabläufe bekommen. Die Bundesregierung ließ sich davon nicht beeindrucken. Auch der Wirtschaftswissenschaftler Tobias Effertz ist bei den Klagen der Tabakunternehmen skeptisch:

Ich halte das für eine große Theaterinszenierung, die da momentan stattfindet. Diesmal werden also die kleineren Unternehmen vorgeschickt. Die Zeit war keinesfalls zu knapp.Tobias Effertz 

Mittelständler fühlen sich „unfair behandelt“

Die mittelständischen Tabakunternehmen argumentieren: Sie liefern vor allem viele unterschiedliche Nischenprodukte in kleinen Mengen. Deswegen sei es für die Mittelständler ungleich schwerer, die Investitionen für die neue Gesetzeslage wieder herauszuwirtschaften.

Beim Mittelständler Johann Wilhelm von Eicken aus Lübeck streitet man gar nicht ab, dass die EU-Tabakrichtlinie bereits seit langem bekannt ist. Deswegen hat sich das Unternehmen frühzeitig vorbereitet: Im Mai 2015 wurden Investitionen im mittleren siebenstelligen Bereich getätigt, berichtet Geschäftsführer Marc von Eicken. Zu einem Zeitpunkt, als es noch keine bindende Rechtsgrundlage aus dem Bundestag gegeben hat.

Es sind wesentliche Investitonen gewesen. Entscheidend ist eigentlich für uns, dass wir diese Entscheidung treffen mussten, ohne dass wir eine rechtliche Grundlage hatten.Marc von Eicken 

Die Mittelständler ärgern sich und zeichnen ihr Dilemma so: Entweder sie haben bereits 2015 investiert, um ihre Verpackungsmaschinen noch pünktlich zum Stichtag 20. Mai 2016 umzurüsten. Dann können sie nahtlos weiterproduzieren – müssen aber hoffen, dass die Bundesregierung keine Ergänzungen zur EU-Richtlinie vornimmt. Oder sie warten, bis sie Rechtssicherheit von der Bundesregierung haben – mit dem Risiko, dass sie dann auf die neuen Maschinenteile warten müssen.

Kurze Fristen, lange Vorlaufzeiten

Dass die Unternehmen tatsächlich in diesem Dilemma hängen, das unterstützt auch ein Gutachten der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. Das Institut für Printing, Processing und Packaging hat untersucht, wie schnell die Druck- und Verpackungstechnik der Unternehmen umgestellt werden kann. Ihr Ergebnis: Die Unternehmen brauchen im Idealfall zwischen zwölf und 18 Monate, um ihre Maschinen umzurüsten.

Den Gesetzesentwurf hat die Bundesregierung im Dezember 2015 vorgelegt. Der Bundestag hat im Februar 2016 zugestimmt, der Bundesrat im März. Einen Monat später wurde die Tabakverordnung verabschiedet. Das war vier Wochen vor dem 20. Mai 2016, dem Stichtag für die EU-Richtlinie.

detektor.fm-Redakteur Sandro Schroeder hat nachgeforscht, warum die EU-Tabakrichtlinie besonders im Mittelstand so scharf kritisiert wird.

Mittelstand | Mittelständische Tabakunternehmen protestieren gegen Umsetzung der EU-Tabakrichtliniehttps://detektor.fm/wp-content/uploads/2016/05/mittelstand-protestiert-gegen-umsetzung-der-tabakrichtlinie.mp3

Die Serie Mittelstand gibt es auch als Podcast.


 

Redaktion