Was wichtig wird | Mythos Ludwig Erhard

Ein Wirtschaftswunder ohne Erhard?

Ist Ludwig Erhard tatsächlich der Vater des deutschen Wirtschaftswunders? Immer mehr Historiker zweifeln an dem Mythos, der den ehemaligen Wirtschaftsminister und zweiten Bundeskanzler der BRD umgibt. Bert Losse von der WirtschaftsWoche geht dem Mythos im Gespräch auf den Grund.

Es gibt nur wenige weitere Namen, die so eng mit den ersten Schritten der jungen Bundesrepublik verwoben sind wie seiner: Ludwig Erhard. Die meisten kennen seinen Namen vor allem aus dem Geschichtsunterricht. Denn Ludwig Erhard ist nicht nur der zweite Bundeskanzler der BRD, sondern gilt auch als Vater des Wirtschaftswunders. Ein Mann, der nur wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges Wohlstand brachte. Doch stimmt das wirklich oder rankt sich um Erhard nur ein großer Mythos?

Mythos Ludwig Erhard

Die Weichen für den Boom in den 1950er Jahren stellte die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, maßgeblich beeinflusst vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Erhard – so steht es zumindest in jedem Geschichtsbuch geschrieben. Allerdings haben immer mehr Wirtschaftshistoriker, und auch die Kollegen der WirtschaftsWoche, daran ihre Zweifel.

Zugespitzt könnte man sagen: Diesen Aufschwung hätte es auch unter einer Wirtschaftsministerin Lieschen Müller gegeben. Dieser Aufschwung war nämlich nicht politisch initiiert. – Bert Losse, WirtschaftsWoche

Vielmehr soll das vermeintliche Wunder auf einem ganz normalen Wachstumspfad beruhen, auf den die Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zurückfand. Ein Anzeichen hierfür: Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa hat es in den 1950er Jahren einen Aufschwung gegeben.

Man muss auch wissen, der deutsche Kapitalstock, die Fabriken, waren auch gar nicht so zerstört. Von daher konnten die Unternehmen auch relativ schnell wieder mit der Produktion beginnen. – Bert Losse

Erhards Verdienste: die Weltmarkt-Orientierung

Auch wenn hinter dem Mythos Ludwig Erhard mehr Schein als Sein zu stecken scheint, einen großen Verdienst muss man ihm laut Losse auf jeden Fall zu sprechen: das Vorantreiben der Weltmarktorientierung der deutschen Wirtschaft. Er habe schnell die Bedeutung der Schwellenländer für die Wirtschaft erkannt und dafür gesorgt, dass diese frühzeitig als Markt von der Industrie erkannt wurden.

Ist also doch nicht alles so verkehrt am Mythos Ludwig Erhard? Was dran ist und was nicht, hat Bert Losse detektor.fm-Moderatorin Marie Landes erklärt. Er ist stellvertretender Leiter des Ressorts Politik & Weltwirtschaft bei der WirtschaftsWoche.


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Redaktion