Ach, Mensch! | Lara Keuck über Validität in der Wissenschaft

Welche Ansprüche stellen wir heute an Wissenschaft?

Was ist verlässliches Wissen und woher stammt überhaupt ein Konzept – die Medizinhistorikerin Lara Keuck erforscht diese Fragen nach Validität in den biomedizinischen Wissenschaften. Woher Impfskepsis komme, sei so zum Beispiel besser zu verstehen. Haben sich die Ansprüche an Wissenschaft gewandelt?

Die Frage nach Validität

Impfskepsis, Homöopathie, Fake News – mit der Frage nach wissenschaftlicher Validität, also Gültigkeit, beschäftigt sich Lara Keuck. Dabei schaut sie als Medizinhistorikerin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin (MPIWG) vor allem in die Vergangenheit. Keuck hat Molekulare Biomedizin, aber auch Geschichte und Philosophie der Medizin studiert. Am MPIWG leitet sie eine neue Forschungsgruppe, die Validierungspraktiken in den biomedizinischen Wissenschaften untersucht.

Validität ist immer relational. Und in der Ära Trump stellt sich die Frage nach Validität wissenschaftlicher Ergebnisse noch mal ganz anders.

Lara Keuck, Medizinhistorikerin

Foto: Peter Himsel

Keuck verknüpft Medizin mit Philosophie und erkenntnistheoretischen Fragen. Als große Fragen der Zeit macht sie aus: Welche Aussagekraft haben Ergebnisse und wo beginnt Interpretation? Das ist besonders relevant mit Blick auf die Debatte um die Coronaimpfungen und Impfskepsis. Keuck schaut historisch auf solche Phänomene, analysiert, woher sie kommen und wie sie uns heute beeinflussen.

Impfskepsis müsse als Vertrauensproblem verstanden werden, sagt sie. Die Mittel gegen die starke Polarisierung bei dem Thema: mehr Erklärungen, wie Wissen überhaupt produziert wird, und ein besseres Verständnis der Graustufen, der verschiedenen Arten von Skepsis. „Wissenslücken sind ja tatsächlich noch vorhanden“, sagt Keuck. „Daher sollte man Unbehagen äußern können, ohne in ein Lager eingemeindet zu werden.“

Der historische Blick

Mitte des 19. Jahrhunderts habe sich die Medizin stark „verwissenschaftlicht“, sagt Keuck. Das heißt: Es wurden beispielsweise Universitätskliniken gegründet und Patientenakten eingeführt. Mit dieser Systematisierung ging ein neues Verständnis einher, wie Krankheiten über das Individuum hinaus beschrieben werden können. Und schon in den 1970er-Jahren habe sich die Medizin methodische Fragen gestellt, also Legitimierungsfragen aus der Disziplin selbst.

Vorstellungen von Gültigkeit haben selbst eine Geschichte. Sie sind nicht zu jedem Zeitpunkt gleich.

Lara Keuck

Dazu gehöre, auf einer Meta-Ebene zu diskutieren, wie Wissenschaft betrieben werden sollte, sagt Keuck. Denn auch bewährte wissenschaftliche Methoden wie „Peer Review“ oder Kontrollgruppen zum Beispiel haben zwar eine lange Tradition, aber auch sie sind nicht aus dem Nichts entstanden.

In dieser Folge von „Ach, Mensch!“: Moderatorin Lara-Lena Gödde spricht mit Lara Keuck über Validität in der Biomedizin, Impfskepsis und einen historischen Blick auf die Psychiatrie.