Forschungsquartett | 9/11 als Biographischer Einschnitt: Der Anschlag aufs World Trade Center

Gibt es eine „Generation 9/11“?

„Nichts ist mehr, wie es vorher war.“ – Das sagt man über 9/11. Das Ereignis hat das Lebensgefühl einer ganzen Nation geprägt. Hat es hierzulande ähnliche Bedeutung?

9/11 als Biographischer Einschnitt

Welche Bedeutung hat 9/11 für Sie?“ – Diese Frage stellte die Soziologin Daniela Schiek Deutschen und Amerikanern zwischen 30 und 40 Jahren.

Als Antwort bekam sie in vielen Fällen eine lebensgeschichtliche Erzählung: „9/11 hat mein Leben verändert.“

Das ist auch ihre Antwort:

Forschungsquartett | Soziologin Daniela Schiek erinnert sich an den 11. September 2001https://detektor.fm/wp-content/uploads/2014/09/ihr-oton-fuer-websitefertig.mp3

Ich hab zum dem Zeitpunkt noch studiert und hab in Berlin gelebt. Ich hab den Tag in einem Park verbracht und war auf dem Weg nach Hause, als es passiert ist, ich hab also erst zu Hause von meinen Mitbewohnern davon erfahren. Und danach ging es mir wie ihnen, dass alle vor dem Fernseher saßen, und man sich darüber ausgetauscht hat, einige schockiert; es gab aber auch Reaktionen, die weniger schockiert waren und ironisch reagiert haben. Ich hab zwar gewusst, dass meine Kommilitonen und Freunde politische Einstellungen haben. Aber wir sind bis dahin nicht in die Verlegenheit gekommen, darüber zu streiten. Durch den 11. September haben wir angefangen, zu diskutieren, und auch ernsthaft Freundschaften neu zu sortieren. Es war also eine konfliktreiche Zeit. Und in der Tat kam ich zuvor nicht in Verlegenheit über das Verhältnis Deutschland-USA nachzudenken und über den Nahostkonflikt nachzudenken. Das war alles sehr weit weg. Durch den 11. September war das plötzlich vor der Haustür.

Kann man von einer 9/11-Generation reden?

Die Forschungen deuten daraufhin, dass junge Amerikaner und Deutsche ähnliche Interpretationen der Ereignisse haben. Wie kam es dazu, wo doch Deutsche weit weniger als Amerikaner von den Anschlägen betroffen waren?

Den Forschern zufolge war es die Erfahrung kollektiver Gewalt: also das Gefühl, auf einmal angreifbar und zum Spielball weltpolitischer Konflikte geworden zu sein. Dazu reichte das Miterleben via Fernsehen.

In der Sozialforschung ist eine einschneidende kollektive Erfahrung wie lebensbedrohende Gefahr eine Bedingung, um von einer Generation sprechen zu können.

detektor.fm-Redakteur Max Heeke hat mit der Soziologin Daniela Schiek über ihre Forschung zu 9/11 gesprochen und stellt die Überlegungen vor.

Redaktion