Forschungsquartett | Epigenom-Forschung

Das Gedächtnis der Zellen

Die DNA gilt als der Code des Lebens. Sie enthält alle Informationen über einen Organismus. Doch wie nutzt die Zelle diese Informationen?

Das Epigenom unterscheidet auch eineiige Zwillinge

Das Epigenom ist kein Objekt in der Zelle, sondern eine Erfindung der Wissenschaftler, ein Arbeitskonzept. Seine Auswirkungen aber sind sehr real. Zwei Beispiele: Eineiige Zwillinge sehen sich sehr ähnlich. Aber mit zunehmendem Alter lassen sich auch mit dem bloßen Auge Abweichungen feststellen. Vielleicht erkrankt sogar ein Zwilling an einer Krankheit, die dem anderen erspart bleibt. Wie ist das möglich, wo doch beide die gleichen Gene tragen? Oder: Wenn das Erbgut in allen Zellen identisch ist, wieso bilden einige Zellen das Herz und andere das Gehirn, werden einige zu Muskel- und andere zu Nervenzellen?

Nicht in jeder Zelle sind immer alle Gene aktiviert

Die Antwort auf beide Fragen ist dieselbe: Das Erbgut, die DNA, enthält alle Informationen, die der menschliche Organismus benötigt. Aber weil nicht alle davon zu jeder Zeit angewendet werden müssen, bleiben in den meisten Zellen die meisten Gene deaktiviert. Diese Deaktivierung geschieht auf verschiedenen Wegen, über Moleküle, die wie Markierungen an bestimmte Abschnitte der DNA angeheftet werden. Oder durch Verpackungstricks, bei denen die DNA so fest eingewickelt wird, dass die Zelle sie zum Ablesen gar nicht mehr öffnen kann.

Agouti-Mäuse 

Mit dem Epigenom bezeichnen Wissenschaftler die Gesamtheit dieser Veränderungen, die letzten Endes bestimmen, auf welche Abschnitte der DNA die Zelle tatsächlich Zugriff hat. So erklärt sich die Vielzahl der über 200 verschiedenen Zelltypen im menschlichen Körper: Fettzellen, Leberzellen, Hautzellen, Nervenzellen und viele weitere, die alle verschiedene Funktionen ausüben. In keiner dieser Zellen sind alle Gene der DNA gleichzeitig aktiviert. In einer Leberzelle sind beispielsweise nur diejenigen Gene aktiviert, die für die Leberzelle wichtig sind.

Epigenom-Fehler können zu schweren Krankheiten führen

Auch Umweltfaktoren beeinflussen diese Mechanismen und so kann sich je nach Lebensweise ein Zwilling irgendwann durchaus von seinem Gegenpart unterscheiden. Vielleicht erkrankt er sogar an einer Erbkrankheit, die beim Geschwisterkind nicht aktiviert wird. Oder an einer Autoimmunerkrankung, weil die sich durch epigenetische Veränderungen erst im Verlauf des Lebens ausbildet. Wie solche Erkrankungen entstehen und wie die Medizin sie heilen möchte, erklärt Philip Rosenstiel von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel detektor.fm-Redakteur Mike Sattler.

Es muss noch viel Forschung in die zielgerichtete Veränderung des Epigenoms fließen. Ich habe vielleicht 25 bis 1.000 Veränderungen im Erbgut, die möchte ich verändern, weil genau die eine bestimmte Krankheit bedeuten.Prof. Philip Rosenstiel 

Redaktion: Mike Sattler