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Nicht immer nur grübeln, auch empirisch forschen – das will die experimentelle Philosophie. Foto: thinker CC BY-SA 2.0 | Fredrik Rubensson / flickr.com

Forschungsquartett | Experimentelle Philosophie

Raus aus der Theorie, rein in die Praxis

Philosophen sitzen nur im Lehnstuhl und denken über die Welt nach. Damit soll jetzt Schluss sein, sagt die experimentelle Philosophie – und verbindet philosophische Fragestellungen mit empirischer Forschung.

Experimentelle Philosophie statt Lehnstuhlmethode

Seit einigen Jahren gibt es in den USA eine neue Forschungsdisziplin: die experimentelle Philosophie. Wie es sich bei der Gründung neuer Strömungen gehört, wird Althergebrachtes sehr drastisch kritisiert. In einem YouTube-Video mit dem Titel „Experimental Philosophy Anthem“ ist zum Beispiel ein gemütlicher Lehnstuhl zu sehen, der langsam abbrennt.

Die Aussage ist deutlich: Philosophen sollen nicht mehr nur im Lehnstuhl sitzen und dort an Theorien arbeiten, sondern diese auch an der Wirklichkeit testen – mit eigenen Experimenten. Auch wenn in Deutschland dafür keine Möbelstücke verbrannt werden, etabliert sich auch im hiesigen Wissenschaftsbetrieb die neue Strömung immer mehr.

Der Knobe-Effekt

Bekannt wurde die experimentelle Philosophie unter anderem durch die Dissertation des amerikanischen Moralphilosophen Joshua Knobe. Er führte zwei Befragungen durch. Gefragt wurde, ob der Manager eines Unternehmens auch für Nebeneffekte einer Entscheidung, deren Ziel es ist, Profit zu erzielen, verantwortlich ist.

In dem Fall, dass der Nebeneffekt schädliche Auswirkungen für die Umwelt hat, sagten 82 Prozent der Probanden, dass der Manager auch dafür verantwortlich sein soll. In dem anderen Fall nützt die Entscheidung der Umwelt. Hier hielten nur 23 Prozent den Manager für den Nebeneffekt verantwortlich. Dieses Ergebnis wurde später Knobe-Effekt genannt.

Den Chef tadeln, den Arbeiter loben

Ein ähnliches Ergebnis stellten Philosophen an der Ruhr-Universität Bochum fest. Untersucht wurde, ob die Einschätzung moralischer Verantwortung von sozialen Rollen abhängt. Es zeigte sich: Auch hier wurde der Chef für negative Nebeneffekte viel mehr getadelt, als er für positive gelobt wurde.

Bei der Frage nach der Verantwortung eines Mitarbeiters, der den Vorschlag für eine Entscheidung gemacht hat, aber ebenfalls um Nebeneffekte wusste, verhält es sich genau umgekehrt. Der Mitarbeiter wurde weit weniger für negative Auswirkungen getadelt, als er für positive gelobt wurde.

Über diese Studie und die experimentelle Philosophie hat sich detektor.fm-Redakteur Konstantin Kumpfmüller mit Prof. Dr. Albert Newen unterhalten.

Prof. Dr. Albert Newen - ist Professor für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum.

ist Professor für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum.
Die Frage ist insofern spannend, als das klassische Bild, das von Kant her kommt, sagt: Moralische Urteile sollten wir unabhängig von Person und Stand fällen. Man sollte moralische Urteile so fällen, dass sie jedermann betreffen.Prof. Dr. Albert Newen
Forschungsquartett – Raus aus dem Lehnstuhl 04:23

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