Schon in den 1980er-Jahren entstanden im damals noch kommunistischen Polen erste queere Netzwerke. Ein neues Buch der Geschlechterforscherin Dr. Magda Wlostowska vom GWZO zeichnet ihre Geschichte nach.
In Zeiten des Rechtsrucks zeigt sich deutlich, wie zerbrechlich gesellschaftliche Errungenschaften sind, etwa wenn es um den Umgang mit Minderheiten geht. Das erleben zum Beispiel queere Menschen derzeit in vielen westlichen Ländern: Sie werden von Rechtspopulistinnen und Rechtsextremisten ins Visier genommen, weil queeres Leben angeblich eine Gefahr für die Mehrheitsgesellschaft darstelle. Dabei sind es die queeren Menschen, die zunehmend gefährdet sind. Wie schon in der Vergangenheit müssen queere Menschen wieder stärker um Akzeptanz und Wahrnehmung kämpfen.
Dieser Kampf hat eine lange Geschichte — nicht nur in westlichen Ländern, sondern auch in den Staaten des ehemaligen Ostblocks. In der Sowjetunion blieben Schwule und Lesben in der Öffentlichkeit unsichtbar, sie hatten keine Möglichkeit, gemeinsam politische Forderungen zu stellen. Und trotzdem hat es natürlich auch hinter dem eisernen Vorhang queeres Leben gegeben.
Ich bin auf unglaublich viel Material in Archiven gestoßen: Viele Zeitschriften und Korrespondenzen, die teilweise schon in den 80er-Jahren entstanden sind.
Magda Wlostowska, Geschlechterforscherin am Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO)
Einen Ausschnitt aus der Geschichte des queeren Aktivismus in Osteuropa beleuchtet Geschlechterforscherin Dr. Madga Wlostowska vom Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) in ihrer Dissertationsschrift: In „Bewegende Begegnungen“ arbeitet sie heraus, wie Schwule und Lesben im kommunistischen Polen der 80er-Jahre erste Bande zueinander knüpften. Unterstützt wurden sie dabei von westlichen Netzwerken wie der Homosexuellen Initiative in Wien (HOSI). Die HOSI half dabei, Newsletter für queere Polinnen und Polen zu erstellen und diese im Land zu verteilen — ganz ohne die Hilfe offizieller Zeitungen und Publikationen.
Im „Forschungsquartett“ stellt Dr. Madga Wlostowska ihre Doktorarbeit vor und erzählt, wie es trotz Kaltem Krieg und Abschottung gelang, transnationale Netzwerke zwischen Ost und West aufzubauen. Im Gespräch mit detektor.fm-Redakteur Johannes Schmidt gibt sie zudem Einblicke in Briefe, die vor allem schwule Männer einander damals schrieben, und erklärt, welche Bedeutung diese berührenden Dokumente für die heutige queere Szene in Polen haben.