Forschungsquartett | Theatralität von Sprachnachrichten

Vorhang auf: Sprachnachricht ab

Wenn wir Sprachnachrichten aufnehmen, wollen wir nicht immer bloß eine Information übermitteln. Manchmal wollen wir sie auch nutzen, um lebhaft von unserem Alltag zu berichten und veranstalten dabei regelrechte Spektakel.

Sprachnachricht, Sprachnotiz oder Audio-Posting. Egal, wie man sie nennen will, sie sind schnell aufgenommen, einfach versendet und nicht so direkt wie Anrufe. Bei den einen sind sie deswegen sehr beliebt, den anderen sind sie eher lästig. Um sie abzuhören braucht es im besten Fall einen ruhigen, ungestörten Ort und manchmal auch viel Zeit. Hat man die gerade nicht, tappt man lange im Dunkeln, worum es in der Nachricht überhaupt geht.

Theatrale Sprachnachrichten

Eigentlich ist mit Sprachnotizen genau das Gleiche machbar, wie mit Textnachrichten: Wir können von unserem Tag berichten, eine Verabredung absagen, ein Missverständnis aufklären. In der Technik sind den beiden keine Grenzen  gesetzt. Aber im Unterschied zur schriftlichen Version, können wir in Audio-Postings richtig theatralisch werden. Das hat die Gesprächsforscherin Dr. Katharina König von der Universität Münster in einer Studie herausgefunden. Bewusst oder unbewusst verwenden wir viele sprachliche Mittel, um sie abwechslungsreicher zu gestalten.

Wenn ich übermitteln will „Es tut mir leid, ich kann nicht kommen, ich bin krank“, dann wird man mit einer brüchigen Stimme arbeiten und das Nasale besonders hervorheben. Man lässt die Schniefer, die man in anderen Kontexten unterdrückt hätte, drin, weil sie Teil der Absage sind.

Dr. Katharina König, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Foto: Dorothee Rietz

Schauplatz Alltagsinteraktion

Für Dr. Katharina König funktionieren die Sprachnachrichten wie eine Bühne, auf der ihre Produzent:innen verschiedene Szenen aus ihrem Alltag für ein ausgewähltes Publikum inszenieren. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Wirkung auf den oder die Empfänger:in. Dafür können verschiedene Arten von Sprachnotizen genutzt werden: Im Voraus genau durchgeplante Sprachnachrichten, spontan aufgenommene Sprachnachrichten oder auch Sprachnachrichten, in denen überhaupt gar keine Stimme zu hören ist.

Die Gesprächsforscherin Dr. Katharina König koordiniert das Zentrum Sprache und Interaktion am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit Kurznachrichten – erst mit SMS, dann vor allem mit WhatsApp-Nachrichten und seit einigen Jahren auch mit Sprachnachrichten. Was diese über unsere Interaktion miteinander aussagen und was sie mit Theater zu tun haben, hat sie detektor.fm-Redakteurin Charlotte Müller erklärt. Von ihren Recherchen berichtet sie detektor.fm-Moderatorin Amelie Berboth in der neuen Folge des Forschungsquartetts.