Forschungsquartett | Verteilung von Wohlstand

Aus der Geschichte lernen

Warum sind manche Regionen reich und andere arm? Tübinger Wirtschaftshistoriker haben eine erstaunliche Erklärung: Es liegt an der Bildung – und an der Geographie.

Die ungleiche Verteilung von Wohlstand

Die zentrale Frage der Wirtschaftsgeschichte ist so alt wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Wirtschaft selbst. Schon der englische Philosoph Adam Smith, der als Urvater der Ökonomie gilt, hat sie 1776 in seinem Buch „Der Wohlstand der Nationen“ gestellt. Sie lautet: Weshalb sind manche Gebiete auf der Welt reich – und andere arm?

Die Beantwortung dieser Frage ist nicht nur für Historiker interessant, die gerne besser über die Vergangenheit Bescheid wissen wollen. Auch für die heutige Wirtschaftspolitik ist von Bedeutung, welche Faktoren wann, wo und unter welchen Umständen zu Wohlstand und Reichtum geführt haben. Ganz im Sinne des Mottos: aus der Geschichte lernen.

Bildung und Geographie als Wohlstandsbringer

Die Tübinger Wirtschaftshistoriker Jörg Baten und Ralph Hippe betonen in einer kürzlich veröffentlichten Studie zwei Aspekte ganz besonders: Bildung und Geographie. Ihre These: In Europa sind vor allem die Regionen heute besonders wohlhabend, in denen der Bildungsstand vor rund 100 Jahren schon relativ hoch war. So erkläre sich beispielsweise, dass der Süden Italiens ärmer ist als der Norden. Doch die Wissenschaftler gehen noch einen Schritt weiter und erklären die Unterschiede im Bildungsstand gleich mit:

Die Geographie und das Klima bestimmen, welche Produkte besonders gut produziert werden können. Im Süden von Italien ist das vor allem Weizen, der auf sehr großen Betrieben sehr effizient produziert werden kann. Im Norden ist es eine Mischung aus Viehwirtschaft und anderen kleineren Flächen, die für Agrarnutzung gebraucht werden können. Und diese kleinen und mittelgroßen Höfe haben in der Regel die Folge, dass die Bauern sehr daran interessiert sind, dass ihre Kinder ausreichende Bildung erhalten. – Jörg Baten, Wirtschaftshistoriker an der Universität Tübingen

Sind also letztendlich geographische Ursachen für die Verteilung von Wohlstand in Europa verantwortlich? Wie misst man überhaupt den Bildungsstand von Menschen in der Vergangenheit? Und können ärmere Regionen zu den reicheren aufschließen? Diese Fragen hat detektor.fm-Redakteur Jan Philipp Wilhelm dem Wirtschaftshistoriker Jörg Baten gestellt. Er ist Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Tübingen und einer der Autoren der Studie.

Ich denke mir gerade in der heutigen Welt, wo wir möglicherweise vor einem epochalen Umbruch zu weniger Globalisierung und mehr Deglobalisierung stehen, ist es eigentlich ganz entscheidend, dass wir uns langfristige Trends genauer anschauen, um zu wirtschaftspolitischen Entscheidungen zu kommen.Jörg Baten  

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