Gartenradio | Insekten

Atempause oder ausgesummt?

Bienen summen, Grillen zirpen, Käfer klopfen, aber viele Insekten leben scheinbar lautlos vor sich hin. Ein Grund dafür, dass wir ihr Verschwinden zu wenig wahrnehmen?

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Spätesten seit im Jahr 2017 ehrenamtliche Insektenkundler im nordrheinwestfälischen Krefeld auf den Insektenschwund aufmerksam gemacht haben, hat wahrscheinlich jeder schon einmal davon gehört. Der UN-Bericht zum weltweiten Artensterben im Mai 2019 hat unlängst die globale Dimension verdeutlicht. Von den acht Millionen Tier- und Pflanzenarten sollen eine Million vom Aussterben bedroht sein.

Professor Dr. Thomas Schmitt, Direktor im Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut im brandenburgischen Müncheberg meint: „Das ist natürlich eine politische Zahl. Wir wissen ja auch wirklich nicht, ob es diese acht Millionen Arten gibt. Wir wissen, dass etwa 1,6 Millionen Tier- und Pflanzenarten beschrieben sind. Aber es gibt immer noch mehr unbeschriebene Arten als die, die wir kennen.“ Bislang sind die Forschungsinstitute noch damit beschäftigt, zu erfassen und zu ordnen, was es überhaupt auf diesem Globus gibt.

Die sechste Biodiversitätskrise

Ob es sich um mehr oder weniger als eine Million Tier- und Pflanzenarten handelt, sei auch nicht so wichtig, findet der Wissenschaftler. Dramatisch sei, dass wir einer neuerlichen Biodiversitätskrise entgegensteuern, also einem schnellen Massensterben von Arten. Prominente Opfer einer solchen Krise waren einst die Dinosaurier. Aber während man im Fall von Tyrannosaurus und Brontosaurus bis heute rätselt, was für ihr Verschwinden verantwortlich war, ist es im Fall vom Goldenen Scheckenfalter oder der Schneckenhaus-Mauerbiene klar: das Artenschwinden ist menschengemacht.

Die Insekten werden „herausgelandwirtschaftet“. Intensive Landwirtschaft, Monokulturen und Abholzung von Regenwäldern sind die globalen Ursachen für das Artensterben. Lebensräume gehen verloren. Insekten finden weder Nahrung noch Unterschlupf.

Arten wandern Richtung Pole – wenn man sie lässt

Der Klimawandel bringt die Arten in Bewegung. Arten wandern von uns aus nach Norden und neue Arten wandern ein – wenn die Durchlässigkeit der Landschaft es erlaubt. „Wir haben etwas ganz Erstaunliches erlebt“, sagt Thomas Schmitt: „Es gibt einen Karstweißling, den gab es bis vor wenigen Jahren nicht in Deutschland. Die nächsten Vorkommen waren in der Schweiz. Dann ist irgendwas passiert, wir wissen nicht, was. Die Art hat extrem stark angefangen, sich auszubreiten. Mittlerweile ist sie in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt nachgewiesen. Wir in Brandenburg warten, dass wir ihn auch finden. Der Karstweißling hat in wenigen Jahren eigentlich ganz Deutschland besiedelt.“ Es sind die Generalisten unter den Insekten, die so eine Neu- oder Wiederbesiedelung schaffen. Die Spezialisten haben es schwerer.

Insekten brauchen Tankstellen

Paradoxerweise sind es die Siedlungsräume, die für die Vielfalt der Arten wichtiger werden. Ausgerechnet Städte und Dörfer können heute Lebensraum für Insekten sein.

Der Honig-Bienen-Hype

Kaum eine Stadt kommt heute ohne Honig-Bienen-Projekt oder Imkerkurse aus. Initiativen wie Bee-Rent, Honigconnection oder Bees & Trees machen lautstarke Lobbyarbeit für Apis mellifera. Das sind erfreuliche Signale für den Aufbruch in ein neues Verständnis vom naturgemäßen Miteinander. Aber schon warnen Mahner, dass Honig-Bienen-Schützer über das Ziel hinausschießen. Zu viele Honigbienen könnten den Wildbienen Konkurrenz machen.

Was der Einzelne tun kann, um Insekten zu schützen, ob man tatsächlich einen Überhang von Honigbienen befürchten muss, warum einige Arten vom Artensterben unberührt zu sein scheinen und was für eine faszinierende Welt wir mit den Insekten verlieren könnten – über all das berichtet Prof. Thomas Schmitt in der neuen GartenRadio-Folge.

Hier geht’s zur 100. Folge.


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Redaktion