Ungleichheiten in der Genomforschung

Kein Risiko für alle?

Um in der Genomforschung mehr über den Zusammenhang von Genen und Krankheiten zu verstehen, müssen Forscher das Erbgut vieler verschiedener Menschen vergleichen. Allerdings stammen die gesammelten Daten bisher vor allem von einer Bevölkerungsgruppe.

In den Genen steckt die Zukunft

Ein Blick in unser Erbgut könnte schon bald ausreichen, um beispielsweise das Risiko für einen möglichen Herzinfarkt, Darmkrebs oder Schizophrenie einzuschätzen. Allerdings nur für Patienten mit europäischer Abstammung. Denn um eine Verbindung zwischen Genen und Krankheiten zu erkennen, sind in der Genomforschung tausende Vergleiche mit anderem Erbgut verschiedener Ethnien notwendig, um einen sogenannten „polygenetischen Risiko-Score“ zu entwickeln.

Ein ungleiches Risiko

Die Ergebnisse dieses „Risiko-Scores“ werden in der internationalen Datenbank, dem Catalogue of Genome-Wide Association Studies, kurz GWAS gespeichert.  79 Prozent des dort registrierten Erbguts stammt aber nur von Menschen mit europäischer Abstammung. Diese gewonnenen Daten lassen sich nicht auf verschiedene Bevölkerungsgruppen übertragen.

Auch wenn die genetische Zusammensetzung aller Menschen im Großen und Ganzen gleich ist, gibt es dennoch Unterschiede in den Genen, die dafür verantwortlich sind, dass es zu Krankheiten kommt oder manche Medikamente nicht richtig anschlagen.

Die Genetikern Alicia R. Martin hat zusammen mit einem internationalen Forschungsteam den „polygenetischen Riskso-Score“ von Patienten mit unterschiedlichen Abstammungen untersucht. Dabei haben sie herausgefunden, dass der Risikowert für Menschen europäischer Abstammung um ein vielfaches genauer ist als für andere.

Die Forschung ist natürlich in den Industrieländern deutlich ausgeprägter. Dort hat man viele Referenzdaten, um einen genaueren Risikowert zu bestimmen. Wenn diese Daten nicht existieren, lässt sich das individuelle Risiko einer Person aus der Bevölkerungsgruppe nicht bestimmen. – Prof. Markus Nöthen, Direktor vom Institut für Humangenetik an der Uni Bonn

Wenn also der Risiko-Score in medizinischen Therapien bei nicht-europäischen Patienten angewendet werden sollte, könnte die derzeitige Datenlage von dem registrierten Erbgut zu falschen Diagnosen und Behandlungsvorschlägen führen.

Über die Ungleichheiten in der Genomforschung und deren Auswirkung auf die Medizin, hat detektor.fm-Moderatorin Amelie Berboth mit dem Humangenetiker Markus Nöthen gesprochen. Er ist Direktor des Institus für Humangenetik an der Uni Klinik Bonn.

Die dafür nötigen genetischen Vergleiche sind ein finanzieller Aufwand. Es ist sehr wichtig, dass man weltweit in allen Bevölkerungsgruppen entsprechende Investitionen vornimmt.Prof. Markus Nöthen  

Redaktion: Luisa Bebenroth