Digitale Verwaltung in Deutschland

Viel Wille, wenig Plan

84 Millionen Stunden pro Jahr könnten die Deutschen sparen, wenn schon nur die am meisten genutzten Verwaltungsvorgänge digitalisiert wären. Bis Ende 2022 sollen sogar alle Verwaltungsdienstleistungen digital zu erledigen sein – so der Plan der Bundesregierung. Aber wie realistisch ist das?

Die „Kleinen“ an der Spitze

Finnland, Estland, die Niederlande und Spanien spielen ganz vorne mit, wenn es um die digitale Verwaltung in der EU geht. Und Litauen und Lettland machen vor, wie ein Land innerhalb von fünf Jahren erheblich leistungsfähiger wird, wenn digitale Verwaltung gezielt gefördert und durchgesetzt wird.

In Deutschland sieht es in Sachen digitale Verwaltung nicht ganz so gut aus. Im „Digital Economy and Society Index“ rutscht die Bundesrepublik in diesem Jahr von Platz 19 auf Platz 24 ab. Dabei hat der Bundestag vor drei Jahren das sogenannte Onlinezugangsgesetz beschlossen. Demnach sollen bis Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen digital zu erledigen sein. Dann sollen zum Beispiel KfZ-Anmeldungen, Kinder-, Eltern- und Wohngeldanträge, der Personalausweis und der Angelschein über den heimischen Computer oder das Smartphone beantragt werden. Insgesamt geht es um 575 Verwaltungsdienstleistungen.

Probe für den Föderalismus

Inzwischen reicht zum Beispiel in Hamburg ein einziger Antrag bei einem neugeborenen Kind. In Berlin gibt es Online-Terminvereinbarungen fürs Amt und ein Online-Service-Konto. Und Paderborn wird als Modellkommune für digitale Verwaltung vom Land NRW gefördert, weil die Kommune ein digitales Bürgerbüro einrichtet.

Bisher hat sich ein Flickenteppich digitaler Verwaltung angesammelt. Bis Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren ist ausgeschlossen, dazu ist Deutschland zu kompliziert strukturiert und der Zeitrahmen zu knapp gesetzt. – Martin Schallbruch, stellvertretender Leiter des Digital Society Institute

Die digitale Verwaltung wird arbeitsteilig umgesetzt. Jeweils ein Bundesland übernimmt die Patenschaft für einen der insgesamt vierzehn Bereiche der digitalen Verwaltung. Für diesen entwickelt das Land dann eine Lösung, die anschließend deutschlandweit eingesetzt werden soll. Bis auf die Bereiche „Gesundheit“ und „Forschung und Förderung“ sind zwar alle Bereiche vergeben, das tatsächliche Testen der geplanten Lösungen in Digitalisierungslaboren findet aber erst in sieben Bereichen statt. Dazu kommt, dass Bayern bisher keine Patenschaft übernommen hat, sondern versucht, sich einen eigenen Weg in die digitale Verwaltung zu pflügen.

Zur Halbzeit des Vorhabens zieht Martin Schallbruch vom Digital Society Institute im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Lara-Lena Gödde eine Zwischenbilanz.

Man wird sicher für jede der 575 Dienstleistungen eine Lösung gefunden haben, aber dass diese Lösungen bis Ende 2022 bei jeder Gemeinde ankommt, ist unrealistisch.Martin Schallbruch 

Redaktion: Nadja Häse


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