Kritik an Wikileaks

„Wikileaks ist nicht bereit, sich weiterzuentwickeln“

Die Enthüllungsplattform WikiLeaks hat sensible Daten hunderter Privatpersonen veröffentlicht. Details aus Krankenakten oder über familiäre Probleme bringen jetzt Unschuldige in Gefahr. Ein Gespräch mit dem Aussteiger Daniel Domscheit-Berg.

In den neuesten Dokumenten von Wikileaks finden sich Klarnamen, Adressen, Telefonnummern. Darüber hinaus enthalten sie Details über die sexuelle Orientierung, Informationen aus Krankenakten oder darüber, ob die Person Opfer sexuellen Missbrauchs gewesen ist. Viele Betroffene wissen gar nichts davon, dass wildfremde Menschen einen Einblick in ihr Privatleben erhaschen können. Möglich ist das, weil die Enthüllungsplattform mittlerweile Dokumente ungeschwärzt veröffentlicht.

Es ist viel zu einfach, wenn man sagt: ‚Wir veröffentlichen alles, was uns geschickt wird.‘ – Daniel Domscheit-Berg, Ex-Sprecher von Wikileaks

Wikileaks: Privatleben von Unbeteiligten veröffentlicht

Laut dem US-amerikanischen Transparenz-Aktivisten Paul Dietrich sollen allein in den Depeschen zu Saudi-Arabien 500 Privatpersonen auftauchen. In den „saudi leaks“ stecken Passnummern und Informationen zur akademischen Ausbildung und der beruflichen Situation.

Unabhängig davon hat die Nachrichtenagentur Associated Press darin rund drei Dutzend Aufzeichnungen gefunden, in denen private und familiäre Probleme von Unbeteiligten detailliert beschrieben sind. Darunter Vermerke zu Ehen und Scheidungen bis zu vermissten Kindern und Sorgerechtsstreits. Auch Heiratsurkunden, in denen aufgeführt wird, ob die Braut noch Jungfrau ist, sind veröffentlicht worden.

Enthüllungsplattform streitet ab

In den Unterlagen befinden sich auch Dokumente über einen Vaterschafts-Streit inklusive Name, Adresse und Telefonnummer des Mannes. „Wenn das die Familie meiner Frau sieht … Das kann Leben zerstören“, sagte der gegenüber der Associated Press. In einem anderen Fall wurden Namen von Männern genannt, deren Frauen an sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV oder Hepatitis C leiden.

Viele der Betroffenen leben in Saudi-Arabien und wussten zuvor nichts von den öffentlichen Informationen im Netz. Denn die Plattform ist dort gesperrt. Wikileaks selbst weist jegliche Verantwortung von sich: Die Daten seien längst publik gewesen, twittert die Plattform.

Spam statt brisanter Dokumente

Anfangs sollten bei Wikileaks Journalisten das zu veröffentlichende Material prüfen und sensible Daten melden. Doch dieser Prozess wurde Gründer Julian Assange bald zu zeitaufwendig und zu teuer. Dass Wikileaks vorgeworfen wird, dass es die veröffentlichten Daten nur unzureichend prüft, ist nicht neu.

Als im Juli tausende E-Mails der türkischen Regierungspartei AKP auf der Plattform veröffentlicht wurden, zeigte sich die Schwäche der ungefilterten Veröffentlichung: Statt brisanter interner Dokumente wurden dort lediglich etwa 300.000 Spam-Mails und Anträge veröffentlicht, die türkische Bürger an die AKP geschickt hatten.

Über die Kritik an der Whistleblower-Plattform Wikileaks und ihre Probleme hat detektor.fm-Moderator Christian Eichler mit Daniel Domscheit-Berg gesprochen. Er ist bis 2010 Sprecher von Wikileaks gewesen.

Julian Assange ist da dogmatisch. Ich glaube, er will diese Verantwortung nicht übernehmen und schiebt das immer auf ‚Wir dürfen nicht zensieren‘. Damit macht er es sich sehr einfach.Daniel Domscheit-Berg 

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