Juna Grossmann über eine nachhaltige Antisemitismusdebatte

„Zu viele Foren für den Hass“

Publizistin Juna Grossmann erzählt, wie es sich anfühlt immer wieder an den selben Tagen über Antisemitismus zu sprechen. Zum Beispiel jedes Jahr am 9. November.

Der 9. November 2018 ist der 80. Jahrestag der sogenannten Novemberpogrome von 1938. Schlägertrupps der Nationalsozialisten haben damals zahlreiche jüdische Geschäfte und Synagogen zerstört. Einen Tag später wurden die ersten Juden in Konzentrationslagern inhaftiert. Die Novemberpogrome zeichnen den Beginn der systematischen Ermordung von Juden in Deutschland.

Das Problem ist nicht gelöst

Der Antisemitismus hat in Deutschland eine erschreckend lange Geschichte, die schon mit der Entstehung des Christentums beginnt und in der Schoah gipfelt. Und auch mit der langsamen Aufarbeitung der Schoah, ist das Problem noch präsent. Denn auch heute werden fast täglich antisemitische Anfeindungen oder Übergriffe gemeldet. Das Ausmaß des andauernden Antisemitismus schockiert zwar punktuell viele, die es nicht direkt betrifft. Im Gegensatz dazu erleben ihn jüdische Bürgerinnen und Bürger weiterhin jeden Tag.

Zum einen ist es natürlich für den nicht-jüdischen Bürger nicht präsent. Das merke ich immer wieder in Lesungen. Zum anderen ist die Frage, ob das was der Staat gemacht hat, auch wirklich bei den Leuten angekommen ist. Wie weit reichen zum Beispiel Veranstaltungen in die Menschen, anstatt einfach nur für den Moment zu sein. – Juna Grossmann, Publizistin

Wann reden wir über Antisemitismus?

Jahrestage wie der 9. November sind häufig ein Anlass sich wieder mit Antisemitismus zu beschäftigen. Eigentlich löblich. Problematisch ist es allerdings dann, wenn diese Auseinandersetzung immer in einem zeitlich begrenzten Rahmen stattfindet. Obwohl man die Geschichte nicht vergessen darf, sollte die Diskriminierung der Gegenwart ebenfalls diskutiert werden. Umso mehr braucht es stattdessen einen langfristigen Ansatz, der nicht an jedem Jahrestag wieder von vorn beginnt, fordert Juna Grossmann.

Mir geht es vor allen Dingen nicht immer nur um Antisemitismus. Das ist ein Teil des Problems, dem wir uns stellen müssen. Es kann ja nicht sein, dass wir mehr Verständnis für die Täter haben, als für die Opfer. Diese Entschuldigungswege, warum jemand etwas gemacht hat, haben bei uns nichts zu suchen. Wir müssen klar hinschauen und sagen: Das hat in unserem Land nichts verloren.Juna Grossmann Foto: Ralf Steeg 

Über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Auseinandersetzung mit Antisemitismus hat detektor.fm-Moderatorin Anja Bolle mit Publizistin Juna Grossmann gesprochen. Sie schreibt regelmäßig auf ihrem Blog irgendwie jüdisch und hat zuletzt das Buch „Schonzeit vorbei“ veröffentlicht.

Redaktion: Valérie Eiseler 

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