Amnesty-Forderung: Prostitution weltweit legalisieren

Sexarbeit legalisieren – Menschenhandel fördern?

Amnesty International will Sexarbeit weltweit legalisieren. So hat es die Menschenrechtsorganisation in dieser Woche beschlossen. Ist das sinnvoll? Ein Gespräch mit dem Bundesverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen.

Erster Gegenwind

Die Gegenstimmen sind schon da gewesen, noch bevor Amnesty International offiziell den Beschluss gefasst hat, sich weltweit für die Legalisierung von Prostitution einzusetzen. In einem offenen Brief haben prominente Frauen wie Meryl Streep und Emily Blunt der Menschenrechtsorganisation vorgeworfen, sich mit dem Vorhaben auf die Seite von kriminellen Zuhältern zu stellen und die Ausbeutung von Sexarbeiterinnen zu fördern. Amnesty hingegen betont, dass der Beschluss auf intensiven Recherchen und Forschungen fußt. Außerdem müsse Ausbeutung und Sexarbeit von Minderjährigen weiterhin verfolgt und bestraft werden.

Knallhart oder doch besser frei?

Deutschland hat eines der weltweit liberalsten Prostitutionsgesetze. Sexarbeit ist legal, genau so wie das Betreiben eines Bordells. Sexarbeiterinnen haben die Möglichkeit, in die gesetzliche Sozialversicherung aufgenommen zu werden und dürfen Arbeitsverträge mit ihren Freiern abschließen. Die Rechte der Sexarbeiterinnen sollten mit dem 2002 in Kraft getretenen Gesetz gestärkt werden. Über den Erfolg dieses Gesetzes wird seit Jahren heftig diskutiert. Zwar begrüßen Sexarbeiterinnen selbst die rechtlichen Regelungen. Sie bemängeln gleichzeitig aber auch die zu geringe Reichweite und vor allem die Unkenntnis über die Regelungen, gerade auf Seiten der Behörden.

Es war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber er ist einfach nicht vollständig umgesetzt worden. – Undine de Rivière, Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen

Am gelockerten Gesetz wird kritisiert, dass der Menschenhandel in Deutschland blüht. Deutschland habe laut einer Studie 62 mal so viele Opfer von Menschenhandel wie Schweden. Dort ist der Kauf von Sex verboten. Die Autoren der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass in Ländern, in denen Prostitution erlaubt ist, der Menschenhandel größer ist als in Ländern, in denen Prostitution oder der Kauf von Sex verboten ist.

Andere Länder, andere Sitten

Die Gesetzeslage in anderen europäischen Ländern ist sehr verschieden, manchmal unterscheidet sie sich sogar von Region zu Region. So ist Prostitution beispielsweise in Spanien weder erlaubt noch verboten. Zwangsprostitution wird strafrechtlich verfolgt. Im Baskenland und Katalonien aber sind Bordelle verboten. Schweden fährt seit 16 Jahren einen sehr eigenen Kurs. Sexarbeit ist zwar erlaubt, der Kauf von Sex aber nicht. Belangt werden hier also nur die Freier.

Das hat Frankreich vor einem Jahr auch durchsetzen wollen, ruderte aber wieder zurück. Trotzdem sind die Regelungen strikt und dienen nicht unbedingt dem Schutz der Sexarbeiterinnen. Zuhälterei ist verboten und wenn Kolleginnen gegenseitige Kontrollanrufe durchführen, können sie der Zuhälterei bezichtigt werden. Amnesty International muss sich also weltweit sehr unterschiedlichen Aufgaben und Argumenten stellen.

Über das Vorhaben von Amnesty International, die Prostitution weltweit zu legalisieren und über die Situation in Europa hat detektor.fm-Moderatorin Teresa Nehm mit Undine de Rivière vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen gesprochen. Sie selbst arbeitet seit über 20 Jahren selbst als Sexarbeiterin.

Mit einer Kriminalisierung, egal welcher Seite, wird auch die gesellschaftliche Stigmatisierung immer wieder gefördert.Undine de Rivière 

Redaktion: Maren Schubart