Völkermord in Ruanda | Strafgerichtshof schließt

100 Tage des Mordens, 20 Jahre der Aufarbeitung

800.000 Tote in 100 Tagen. Das war die tragische Bilanz des Völkermordes von Ruanda. Im Sommer 1994 ermordete die Hutu-Mehrheit fast 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi. Nun beendet der „Internationale Strafgerichtshof für Ruanda“ seine Arbeit. Er sollte die Drahtzieher des Genozids verurteilen.

100 Tage des Mordens

Die Talare sind abgelegt, die Hämmer ruhen. Der internationale Strafgerichtshof in Ruanda hat in diese Woche seine Arbeit beendet. Die Bilanz des Gerichts: 61 Personen wurden verurteilt, 19 kamen frei. Im ostafrikanischen Binnenstaat wurden von April bis Juli 1994 über 800.000 Menschen ermordet und über 100.000 Frauen sexuell missbraucht. An Brutalität und Direktheit ist der Genozid von Ruanda kaum zu überbieten: Die meisten Opfer wurden von Angesicht zu Angesicht umgebracht, mit Macheten oder Schusswaffen. Hunderttausende Zivilisten beteiligten sich an den Morden. Bis heute wird scharf kritisiert, dass die Vereinten Nationen http://www.spiegel.de/politik/ausland/voelkermord-in-ruanda-schweres-versagen-der-uno-a-56799.html interveniert haben.

Ein langer Prozess

Noch im Jahr der Morde wurde der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda im tansanischen Arusha gegründet. Er gilt als Vorgängerinstitution des bekannten Strafgerichts in Den Haag, das erst 1998 gegründet wurde. In Arusha wurden die Drahtzieher des Völkermordes angeklagt: Politiker, Journalisten, sogar der ehemalige Premierminister.

In den Verfahren in Arusha ist der Richter eher ein Moderator. Die Anklage bringt etwas vor, die Verteidigung reagiert – dann bringt die Verteidigung etwas vor. Das dauert sehr lange. Außerdem ist es sehr schwer, Beweise zu bringen und die zu bewerten. – Gerd Hankel, Hamburger Institut für Sozialforschung

Die Aufarbeitung vor Ort

Auch in Ruanda selbst wurden die Täter des Völkermordes angeklagt. Aufgrund der hohen Zivilbeteiligung an den Morden haben in mehr als 12.000 lokalen „Gacaca“-Gerichten Laienrichter 1,2 Millionen Fälle behandelt. Doch beide Formen der Rechtssprechung – „Gacaca“ und Strafgerichtshof – sind nicht unumstritten:

Es ist ein großes Problem, dass ausschließlich Hutu verurteilt worden sind. Das dient vielen Ruandern dazu, zu sagen: Das war eine einseitige Justiz, eine Siegerjustiz. – Gerd Hankel, Hamburger Institut für Sozialforschung

Über die Aufarbeitung des Genozids hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Gerd Hankel vom Hamburger Institut für Sozialforschung gesprochen. Er untersucht den Völkermord in Ruanda seit zwölf Jahren.

Es ist Recht gesprochen worden, das ist eins. Ob dadurch Gerechtigkeit hergestellt worden ist, das wage ich zu bezweifeln.Gerd Hankel 

Redaktion: Christian Eichler

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