100 Tage des Mordens
Die Talare sind abgelegt, die Hämmer ruhen. Der internationale Strafgerichtshof in Ruanda hat in diese Woche seine Arbeit beendet. Die Bilanz des Gerichts: 61 Personen wurden verurteilt, 19 kamen frei. Im ostafrikanischen Binnenstaat wurden von April bis Juli 1994 über 800.000 Menschen ermordet und über 100.000 Frauen sexuell missbraucht. An Brutalität und Direktheit ist der Genozid von Ruanda kaum zu überbieten: Die meisten Opfer wurden von Angesicht zu Angesicht umgebracht, mit Macheten oder Schusswaffen. Hunderttausende Zivilisten beteiligten sich an den Morden. Bis heute wird scharf kritisiert, dass die Vereinten Nationen http://www.spiegel.de/politik/ausland/voelkermord-in-ruanda-schweres-versagen-der-uno-a-56799.html interveniert haben.
Ein langer Prozess
Noch im Jahr der Morde wurde der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda im tansanischen Arusha gegründet. Er gilt als Vorgängerinstitution des bekannten Strafgerichts in Den Haag, das erst 1998 gegründet wurde. In Arusha wurden die Drahtzieher des Völkermordes angeklagt: Politiker, Journalisten, sogar der ehemalige Premierminister.
In den Verfahren in Arusha ist der Richter eher ein Moderator. Die Anklage bringt etwas vor, die Verteidigung reagiert – dann bringt die Verteidigung etwas vor. Das dauert sehr lange. Außerdem ist es sehr schwer, Beweise zu bringen und die zu bewerten. – Gerd Hankel, Hamburger Institut für Sozialforschung
Die Aufarbeitung vor Ort
Auch in Ruanda selbst wurden die Täter des Völkermordes angeklagt. Aufgrund der hohen Zivilbeteiligung an den Morden haben in mehr als 12.000 lokalen „Gacaca“-Gerichten Laienrichter 1,2 Millionen Fälle behandelt. Doch beide Formen der Rechtssprechung – „Gacaca“ und Strafgerichtshof – sind nicht unumstritten:
Es ist ein großes Problem, dass ausschließlich Hutu verurteilt worden sind. Das dient vielen Ruandern dazu, zu sagen: Das war eine einseitige Justiz, eine Siegerjustiz. – Gerd Hankel, Hamburger Institut für Sozialforschung
Über die Aufarbeitung des Genozids hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Gerd Hankel vom Hamburger Institut für Sozialforschung gesprochen. Er untersucht den Völkermord in Ruanda seit zwölf Jahren.
Redaktion: Christian Eichler