Stadtgespräch | Drogenpolitik: Der „Frankfurter Weg“

Betreutes Drogen-Nehmen

Über tausend Menschen sind letztes Jahr in Deutschland an den Folgen von illegalem Drogenkonsum gestorben. Der Staat geht hart gegen die Konsumenten vor: Mit Anzeige und Haft müssen sie rechnen. Viel Geld wird für die Verfolgung ausgegeben, dabei fordern viele Hilfseinrichtungen einen völlig anderen Kurs. Repression sei eine Sackgasse, man könne nur durch Prävention und Therapien die Lage verbessern. In Frankfurt am Main sind solche Methoden mit dem „Frankfurter Weg“ seit 1990 etabliert – mit Erfolg.

62 – 108 – 147 : Das sind keine Modelmaße, sondern der erschreckende Anstieg der Drogentoten in Frankfurt am Main Anfang der 1990-er Jahre. Mit der Beliebtheit von Heroin stiegen auch die Todesfälle rasant an. Der Stadt drohte die Kontrolle über den gestiegenen Heroinkonsum und die Folgen davon zu entgleiten. Anlass genug, um in der Drogenpolitik umzudenken. 1990 wurde in Frankfurt die „Frankfurter Resolution“ auf den Weg gebracht. Sie erklärte den Versuch für gescheitert, Drogen durch Repression und Nicht-Beachtung aus der Gesellschaft zu verbannen.

Die Stadt musste zur Lösung des Problems akzeptieren, dass Süchtige nicht von einem Tag auf den anderen die Finger von Drogen lassen können, und dass Drogen trotz Verboten wohl nicht so schnell aus der Gesellschaft verschwinden werden. Die Alternativen: Bessere Bedingungen für Abhängige schaffen, Präventionsarbeit, Therapiemöglichkeiten anbieten.

Konsum unter Aufsicht

Das Modell aus Frankfurt hat Vorbildcharakter: Den erschreckenden Zahlen von damals stehen – relativ stabil – unter 45 Drogenopfer im Jahr gegenüber. 2014 wurden zuletzt 23 Todesfälle durch illegale Drogen verzeichnet.

1995 hatte in Frankfurt der erste Konsumraum geöffnet. Für Drogenabhängige, die zuvor ihre Mittel unter höchst riskanten Umständen zu sich genommen hatten, eine große Erleichterung. Die Einrichtungen bieten unter Anderem sterile Spritzen, notärtztliche Betreuung und Suchtberatung an. Die Übertragung von Krankheiten wie HIV oder Hepatitis, aber auch tödliche Überdosen werden dadurch deutlich verringert.

In anderen Einrichtungen können sich Drogenabhängige zu Therapien beraten lassen oder sich untereinander austauschen. So konnten einige Süchtige wieder raus aus dem Drogensumpf, rein in den Alltag geholt werden.

Sehr viele Menschen, die zur damaligen Zeit in einer lebensbedrohlichen Situation waren, haben überlebt und führen heute teilweise ein in die Gesellschaft integriertes Leben. – Wolfgang Barth, Drogennotdienst Frankfurt

Bundesweit herrscht Repression vor

Mittlerweile haben auch Städte mit einem ähnlichen Drogenproblem, wie zum Beispiel Berlin oder Hamburg, Konsumräume eingerichtet. Aber in Bundesländern wie Bayern, wo die Zahl der Todesopfer mit am höchsten ist, wird weiterhin auf Repression gesetzt. Obwohl zahlreiche Organisationen und Berichte diese Praxis als falschen Ansatz scharf kritisieren, ist auf Bundesebene noch kein Umdenken in Sicht.

Wie es in solchen Einrichtungen zugeht und welche Chancen sie für Abhängige bieten, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Teresa Nehm hat mit Wolfgang Barth gesprochen. Er ist Leiter des Drogennotdienstes Frankfurt, der auch Konsumräume betreibt.

An erster Stelle muss die Akzeptanz des Menschen und seines individuellen Problems stehen.Wolfgang Barth 

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 Redaktion: Mona Ruzicka