Wörterbuch des besorgten Bürgers

Im Nebel der Rhetorik

„Lügenpresse“, „Frühsexualisierung“ oder „Rapefugees“ ziehen scheinbar ungehindert in den deutschen Sprachalltag ein. Eine Gruppe von Autoren hat diese Begriffe im „Wörterbuch des besorgten Bürgers“ gesammelt.

Wörterbuch des besorgten Bürgers

Sprache ist Macht. Sprache beeinflusst. Wie sehr, das kann man jeden Tag erleben. Seit geraumer Zeit machen sich im deutschen Vokabular Begriffe breit, über die sich streiten lässt. Scheinbar steht es um unser Land zu Zeiten von „Flüchtlingslawinen“ und „Lügenpresse“ so schlecht, dass wir eine neue Sprache erfinden müssen, um unserer Besorgnis Ausdruck zu verleihen. So zumindest sehen es besorgte Bürger: Menschen, die nicht länger mit ansehen wollen und können, wie in Deutschland eine großflächige „Umvolkung“ stattfindet.

Da fehlen einem die Worte

Einige denken vielleicht, solche Worte nehmen lediglich die üblichen Verdächtigen in den Mund: Pegida-Demonstranten, AfD-Mitglieder und Co. Aber auch in sozialen Medien und in Politiker-Reden ziehen die Begriffe der „Wutschäumenden“ inzwischen ein. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer beispielsweise spricht von einer „Obergrenze“ in der Flüchtlingsfrage, ebenso wie Sarah Wagenknecht von der Linken. Anscheinend sind viele in Sorge.

Einmal übersetzen, bitte

Eine Gruppe von Autoren hat sich dieser Sprache nun angenommen und über Monate hinweg all die Begriffe gesammelt, die inzwischen freimütig im Alltag verwendet werden. Das Ergebnis: das „Wörterbuch des besorgten Bürgers“. 150 Einträge umfasst das kleine Übersetzungswerk – von Neologismen über Umdeutungen und längst totgeglaubte Begriffe, die aus der NS-Zeit hervorgekramt wurden.

Wörterbuch für jedermann

Die Autoren wollen auf den „rhetorischen Nebel“ aufmerksam machen, der die Deutschen umhüllt. Denn oftmals hört man Wörtern wie „Volksgemeinschaft“ oder „Südeuropäer“ ihre Menschenfeindlichkeit gar nicht an. Aber auch bei der Argumentation soll das Wörterbuch helfen, wenn in Diskussionen mit besorgten Bürgern von „Ficki-Ficki-Fachkräften“ und deutschem „Toleranzfaschismus“ die Rede ist. Die Idee: Gegenargumentieren mit Fakten statt Schweigen.

Wie die Idee entstanden ist und welche Dynamik hinter der Sprache der Besorgnis steckt, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Marie Landes mit Franziska Reif, einer der Autorinnen des Wörterbuchs des besorgten Bürgers, gesprochen.

Das sind teilweise Kampfbegriffe, die irgendwie unterbestimmt sind, aber einen rhetorischen Nebel erzeugen, mit dem Angst oder Konflikt ständig aufrechterhalten wird.Franziska Reif 

Redaktion: Birthe Kleemann

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