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Abreißen oder stehen lassen?

In Deutschland stehen viele Kolonialdenkmäler. Aktivistinnen fordern, sich kritisch mit diesen Denkmälern auseinanderzusetzen, manche fordern sie zu zerstören. Was ist der richtige Weg?

Halloween 1968, Reformationstag, die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November: Hamburger Studenten stürzen vor der Universität zwei Denkmäler um. Die Bronzestatuen zeigen Hermann von Wissmann und Hans Dominik. Beide waren Kolonial-Offiziere. Wissmann hat einen Aufstand im heutigen Tansania niedergeschlagen, was letzendlich zur Gründung der dortigen deutschen Kolonie geführt hat. Der Sturz der Statuen soll ein Zeichen gegen die Verehrung von deutschen Kolonialisten sein. Ausgelöst durch die weltweiten Black-Lives-Matter-Proteste wird in Deutschland wieder über diese Denkmäler gesprochen. So auch über die vielen Otto von Bismarck-Statuen und -Denkmäler, die in ganz Deutschland zu finden sind.

Ohne die Entscheidung von Bismarck hätte es keine deutschen Kolonien und auch keine Kolonialverbrechen gegeben

Prof. Jürgen Zimmerer, Historiker und Afrikawissenschaftler

Deutsche Kolonialdenkmäler heute

Spuren der kolonialen Vergangenheit sind heute an vielen Stellen sichtbar. Zum Beispiel sind Straßen nach Rassisten oder Kriegsverbrechern benannt, die oft durch Propaganda zu Helden und Befreiern stilisiert wurden. Ein Wahrzeichen von Hamburg ist das größte Denkmal des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck. In der Rezeption zu seiner Rolle im Kolonialismus wird oft darauf hingewiesen, dass er keine Kolonien für Deutschland wollte. Trotzdem entstanden unter seiner Regierung die meisten deutschen Kolonien und er war maßgeblich an Verteilungen von Kolonien an andere europäische Mächte beteiligt. Das Denkmal in Hamburg soll jetzt für mehrere Millionen Euro saniert werden. Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland sieht das kritisch und fordert ein Umdenken.

Weil es sich jedes Mal anfühlt, wie ein Stich ins Herz, wenn wir sehen: Hier wird jemand geehrt, der uns enormes Leid zugefügt hat.

Kodjo Valentin Gläser, Initiative Schwarzer Menschen Deutschland

Dekolonialisierung

Kolonialdenkmäler umzustürzen und zu beseitigen ist ein Schritt, eine Diskussion anzuregen. Um sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, muss man aber die Geschichte richtig aufarbeiten.

Wir sollten alle miteinander kreativ sein und gucken, wie wir solche Denkmäler so brechen können, dass sie nicht mehr den Kolonialherren ehren, sondern an die Opfer dieses Kolonialherren erinnern.

Enno Isermann, Denkmalschutzamt Hamburg

Wie das Hamburger Denkmalschutzamt mit Kolonialdenkmälern umgeht, darüber hat detektor.fm-Moderator Yannic Köhler mit Enno Isermann gesprochen. Kodjo Valentin Gläser von der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ erklärt die Wünsche der betroffenen Gruppen und der Historiker Jürgen Zimmerer beleuchtet die deutsche Kolonialgeschichte und ihre Rezeption.