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Woher kommt das Bild vom „bösen Osten“?

Das Bild von Osteuropa und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern ist geprägt von Klischees. Doch woher kommen diese Vorurteile — und was kann man dagegen tun?

Wie denken wir über Osteuropa?

Scherze über vermeintlich trinksüchtige Russen, stehlende Polen-Stereotype und generell über Osteuropäerinnen und Osteuropäer halten sich gerade in Deutschland weiter. Auch in der Popkultur haben klischeebeladene Darstellungen über Osteuropa und seine Menschen Konjunktur. Das zeigen Charaktere wie die stehlende Ukrainerin Petra in der Netflix-Serie „Emily in Paris“ oder vermeintlich osteuropäische Bösewichte in Filmreihen wie „James Bond“ oder „Stirb Langsam“.

Das kann beginnen bei Stereotypen, die sogenannten Polenwitze beispielsweise in den 1980er-Jahren, bis hin eben auch zur rassistischen Abwertung, strukturelle Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Wenn man sich anguckt, wer macht welche Jobs in Deutschland, wird das auch sehr deutlich.

Hans-Christian Petersen, Gastprofessor „Migration und Integration der Russlanddeutschen“, Universität Osnabrück / IMIS

privat

Gegen diese Stereotype regt sich allmählich Widerstand. Denn was mit scheinbar lockeren Sprüchen beginnt, ist Teil einer tiefer sitzenden Diskriminierung des östlichen Europas und seiner Einwohnerinnen und Einwohner, so die Argumentation. Bisher aber ist diese Diskriminierung kaum thematisiert. Selbst der Begriff „Osteuropa“ und wer eigentlich dazugehört, ist umstritten.

Antislawismus und PostOst

In der Wissenschaft wird derzeit diskutiert, ob die Abwertung und Diskriminierung von Menschen aus dem östlichen Europa eigentlich Rassismus ist. Die Diskussion um diesen anti-osteuropäischen Rassismus, dem „Antislawismus“, geht also davon aus, dass auch weiß gelesene Menschen Opfer von Rassismus sein können. Auch die derzeitige Situation hat Einfluss auf diese Debatte. Denn zum Beispiel durch die Aufnahme vieler ukrainischer Geflüchteter und die mediale Berichterstattung erfahren viele Vorurteile eine Re-Aktualisierung.

Ich finde es immer spannend, wenn Menschen, die sich mit bestimmten Diskriminierungsformen noch nicht beschäftigt haben, sich Sachen anschauen wie Harry Potter oder irgendwelche Satire-Sachen und sich dann fragen: Okay, warum sind die Bulgaren hier bei Harry Potter immer die Bösen, laufen im Pelzmantel, sind so Kämpfer und in Uniform? Oder warum sind Witze über die Wodka trinkenden Polen immer noch so in Ordnung, obwohl die anderen Witze vielleicht nicht mehr in Ordnung sind?

Sergej Prokopkin, Jurist und Antidiskriminierungstrainer

privat

Dabei machen Menschen aus dem östlichen Europa bereits jetzt fast die Hälfte der in Deutschland lebenden Personen mit Migrationshintergrund aus. Fasst man die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zusammen, stellen sie mit rund 3,5 Millionen Personen die größte Gruppe innerhalb der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Weitere zwei Millionen Menschen in Deutschland haben einen polnischen Background. Aus dieser Community heraus regt sich Widerstand in der jüngeren Generation. PostOst, eine Bewegung zur Selbstermächtigung der osteuropäischen Communitys, will ein neues Selbstvertrauen für Menschen mit osteuropäischen Wurzeln.

Woher die Vorurteile kommen und inwiefern das Rassismus sein könnte, erklärt Hans-Christian Petersen. Er ist Gastprofessor für „Migration und Integration der Russlanddeutschen“ an der Universität Osnabrück. Wie man Stereotype aufbrechen kann und zu welchen Erkenntnissen die Menschen in seinen Workshops kommen, das erklärt Sergej Prokopkin. Er ist Jurist und Antidiskriminierungstrainer.