Monopol-Podcast | Kunst und Essen

Essen mit Erinnerung

Ein Kohlkopf, der für die weibliche Fruchtbarkeit steht, und eine Gurke als phallisches Symbol — Essen steht seit jeher Modell für die Kunst. Woher kommt diese Faszination und wie kann Essen Teil von gegenseitigem Verständnis werden?

Ein Obstkorb steht Modell

Essen ist lebensnotwendig, ohne geht es nicht. Denn unsere Körper brauchen Nahrung, um zu wachsen und zu funktionieren. Deswegen ist die Faszination in der Kunst für Nahrungsmittel erst einmal eine anthropologische, erzählt Sebastian Frenzel im Podcast. So zeigen etwa altägyptische Wandmalereien rituelle Darbietungen von Essen. Bei den Griechen und Römern dann wurden die Empfangsräume in den Herrschaftshäusern mit kunstvollen Mosaiken, die Obst und Wein zeigten, geschmückt. Und sie fanden auch Einzug in die christliche Ikonografie: der Wein als Blut Christi und der Apfel als Symbol für den Sündenfall. Ab dem frühen 17. Jahrhundert werden Lebensmittel vielfach in Stillleben dargestellt.

Mit Caravaggio wird die Stilllebenphase so ein bisschen autonom. Das heißt, Obst und Gemüse sind dann nicht mehr nur in ikonische Zusammenhänge eingebettet, sondern sie rücken ins Bildzentrum. Da geht es dann um die Sinnlichkeit. 

Sebastian Frenzel, Monopol-Magazin

Foto: Monopol

Stillleben waren weit mehr, als nur der Ausdruck eines Vanitas-Gedanken, also dem Bewusstsein für die Vergänglichkeit des Lebens, sie spiegelten auch die imperialen und kolonialen Verflechtungen der Welt wider.

Essen als Austausch zwischen den Kulturen

Für das Team rund um Marie Hélène Pereira am Haus der Kulturen der Welt kann Essen und der Austausch darüber auch ein Akt des Heilens sein. Denn die einzelnen Zutaten erzählen eine individuelle Geschichte und tragen Wissen in sich, das über Generationen hinweg weitergegeben wurde.

I think it’s important to see how different communities have dealt with food and food making. That allowed for them to be able to feed themselves for centuries. I think that’s knowledge in itself.

Marie Hélène Pereira, Haus der Kulturen der Welt

Foto: Alexander Steffens / HKW

In der Veranstaltungsreihe „Tongue und Throat Memories — In Gastfreundschaft geteiltes kulinarisches Wissen“ wird dieses Wissen über das gemeinsame Essen geteilt. Dafür laden Marie Hélène Pereira und ihr Team Köchinnen und Köche ein, die sich intensiv mit den Geschichten der einzelnen Lebensmittel auseinandersetzen. So servierte die Köchin Fatmata Binta etwa Fonio. Das ist eine Hirsesorte, die besonders klimaresilient ist und seit Jahrtausenden auf dem afrikanischen Kontinent kultiviert wird. Mit Fonio erzählte Fatmata Binta zugleich auch die Kulturgeschichte des Fulani-Volkes in West- und Zentralafrika.

So the food making and food eating becomes a pretext in order to learn from specific culture and specific history.

Marie Hélène Pereira, Haus der Kulturen der Welt

In dieser Folge von „Kunst und Leben“, dem Podcast in Kooperation mit dem Monopol-Magazin, spricht detektor.fm-Moderatorin Aileen Wrozyna mit Sebastian Frenzel, dem stellvertretenden Chefredakteur des Monopol-Magazins über die Faszination von Künstlerinnen und Künstlern fürs Essen und Lebensmittel. Im zweiten Teil der Folge spricht sie mit Marie Hélène Pereira, sie ist Seniorkuratorin für Performative Praktiken am Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Dort wird zu interkulturellen Kochsessions eingeladen, den „Tongue and Throat Memories“.