Album der Woche | Brittany Howard – Jaime

Selbstbehauptung und Stilübungen

Brittany Howard hat schon vier Grammys gewonnen. 2016 und 2018 wurde ihre Band Alabama Shakes mit je zwei Awards geehrt. Nun hat Brittany Howard mit „Jaime“ ihr erstes Solo-Album veröffentlicht. Und auch das hat Award-Potential, sagt die detektor.fm-Musikredaktion.

Das Album der Woche wird präsentiert von Dockin. Promo-Code: detektor.fmDockin10


Wieviel Alabama Shakes steckt drin?

Alabama Shakes kennt man für ihren bluesigen Soul-Rock aus der Garage. Der gefiel den Kritikern, sicher auch wegen der prägnant gefärbten Stimme von Brittany Howard. Ihre Register reichten auch auf den beiden Band-Alben schon von Soul über Blues-Rock bis zu R’n’B. Dieses Repertoire hat Howard natürlich nicht einfach fallen lassen. Im Fundament von Jaime erkennt man deshalb die Südstaaten weiter – Howard ist in Alabama aufgewachsen. Zu hören ist das unter anderem in „Stay High“.

Neben dieser Grundfarbe nutzt Howard aber auch andere Klangfarben, die wir von Alabama Shakes noch nicht kennen.

Black Music-Stilübungen

Musikalisch steckt in Jaime alles, was die diversen Genres der „Black Music“ zu bieten haben. Der Opener „History Repeats“ ist ein Funk-Brett, das musikalisch als Hommage an Prince gelten kann. Die Energie bei „History Repeats“ strömt zwar aus den Gitarren, die werden aber mit einer erheblichen Dosis Effekten überlagert. Und klingen so fast wie Synthies. „Short and Sweet“ hingegen ist eine zarte Gospel-Ballade, gesungen zu entsprechend sachte zerlegten Akkorden. Selbst Anleihen bei Spoken Word-Helden wie Gil Scott-Heron sind im afro-futuristischen „13th Century Metal“ zu erkennen.

Selbstbehauptung statt Jammertal

Das Album ist nach Brittany Howards Schwester Jaime benannt. Sie verstarb an Krebs als Brittany acht Jahre alt war. Nach Aussage von Howard hat Jaime ihr die Freude am Klavierspiel vermittelt. Und damit den musikalischen Grundstein gelegt für die Selbstbestimmung und Selbstbehauptung der Brittany Howard in Jaime. Die ist – leider – auch im Jahr 2019 immer noch notwendig für eine schwarze Künstlerin, die mittlerweile offen lesbisch lebt. Textlich stehen deswegen Themen wie Rassismus, wie in „Goat Head“, neben der Frage: Warum gibt es eigentlich immer noch kaum afroamerikanische R’n’B-Balladen von Frauen, die an andere Frauen gerichtet sind? Der Song „Georgia“ jedenfalls zeigt, dass das durchaus machbar ist.

Textlich wie musikalisch bleiben die elf Songs auf Jaime zwar oft skizzenhaft. Genau so oft macht das aber ihre Stärke aus. Denn wenn man eine kleine Songidee nicht auf fünf Minuten breittreten will, sollte man halt nach zweieinhalb Schluss machen, zum Beispiel wie bei „Baby“ oder „He Loves Me“. Und so hat Brittany Howard mit Jaime ein Album veröffentlicht, das gekonnt Selbstbehauptung und Stilübungen vereint, ohne die Platte je mit einem davon zu überfrachten.

Redaktion