Album der Woche: Chvrches – Every Open Eye

Ich brauche keine Umarmung!

Der intelligente Synthie-Pop von Chvrches hat Fans und Kritiker gleichermaßen überzeugt. Ihr erstes Album hat sich Inzwischen fast eine Million Mal verkauft. Da stellt sich unweigerlich die Frage nach dem vermeintlich schwierigen zweiten Album. Für Chvrches offenbar kein Problem.

Wenn sie die eine Million-Marke beim Verkauf ihres ersten Albums geknackt haben, muss er sich ein Tattoo stechen lassen, gab Chvrches Keyboarder Martin Doherty kürzlich in einem Interview zu Protokoll. Und darauf habe er eigentlich keine Lust. Trotz dieser schmerzhaften Aussichten, freuen sich Chvrches natürlich über ihren Erfolg und dass sie mit ihrer Musik so viele Menschen erreichen.

Verkäufe sind wichtiger als Award-Nominierungen, denn dann hat man die Leute wirklich erreicht. Auszeichnungen sind natürlich auch schön, wir waren bei den Brit Awards, das war ziemlich bizarr, aber auch aufregend. – Martin Doherty

Wir finden uns in dieser Welt noch nicht so gut zu recht, ich wollte zum Beispiel für unsere kostenlosen Getränke bezahlen. Ich stand an der Bar und und die Leute schauten mich an wie: Sie hat keine Ahnung was sie tut! Aber in den meisten Bars muss man nun mal bezahlen! – Lauren Mayberry

An durchchoreographierte Awardveranstaltungen mit Freigetränken sollten sich Chvrches besser gewöhnen. Der Hype um die Band aus Glasgow ist noch lange nicht vorbei.

Die Ideen kamen schnell

Aufgenommen haben Chvrches die Songs für Every Open Eye wieder in ihrem eigenen Kellerstudio in Glasgow. Nach einer endlosen Tour mal wieder ein paar Wochen zu Hause verbringen hat sich einfach richtig gefühlt, sagen sie. Und Glasgow ist ein guter Ort, um kreativ zu sein. Dort konnten sie auch die gestiegenen Erwartungen gut ausblenden.

Wir haben versucht solche Gedanken zu verdrängen. Ende letzten Jahres haben uns viele Leute gefragt: Ihr müsst ja tierisch unter Druck stehen? Spürt ihr den Druck? Und wenn man das ständig hört, sagt man irgendwann automatisch: Nein, noch nicht. – Lauren Mayberry

Wir haben nie vor einem komplett leeren Blatt gestanden und gedacht: Oh Gott, das ist zu viel Druck! Nach der letzten Show in Asien hatten wir ein paar Wochen frei. Danach sind wir ins Studio und die Ideen kamen sehr schnell. Dafür sind wir natürlich dankbar und freuen uns dass es nicht andersherum war. – Iain Cook

Raumgreifend und reduziert

Den typischen Chvrches-Sound findet man auch auf ihrem zweiten Album: Synthie-Explosionen, Melodien, die sich umgehend im Ohr festsetzen gekrönt von Lauren Mayberrys Gesang, der immer zwischen forsch und süß schwankt. Allerdings wirken die Songs monumentaler und raumgreifender, wie gemacht für die größeren Konzerthallen, die sie mittlerweile bespielen. Gleichzeitig ist der Sound reduziert, die Stücke sind weniger vollgepackt, dafür können die einzelnen Elemente ihre volle Wirkung entfalten.

Die Texte von Lauren Mayberry sind zum Teil wütend und aggressiv, sie nutzt diese Energie und verwandelt sie in etwas Positives.

Ich schreibe über eine persönlichen Erfahrung oder sage meine Meinung. In einigen der Songs geht es um vergangene Erlebnisse, in anderen um aktuelle Dinge. Dieses Album hat definitiv einige sehr düstere Texte, aber es gibt auch viel Hoffnung. Also auch wenn das manchmal nicht so rüberkommt – mir geht es gut, ich brauche keine Umarmung! Es ist gut, aus negativen Erfahrungen etwas Positives zu machen. Ich will in den Songs ein stärkeres Ich schaffen. Das ist wie mit dem Huhn und dem Ei, wenn du über etwas positiv schreibst, fühlst du dich gleich besser und so geht das weiter.

Die Hürde des vermeintlich schwierigen zweiten Albums haben Chvrches mit Bravour gemeistert und glamourösen 80er-Pop mit großen Gesten geschmackssicher in Szene gesetzt. Auf Every Open Eye üben sich Chvrches nicht gerade in Zurückhaltung – gut so.

Redaktion