Album der Woche: DJ Koze – Knock Knock

Der Querdenker-DJ

DJ Koze war noch nie gut darin, sich auf irgendwas festzulegen. Auf seinen Alben bedient er nicht eine nach der Bass-Drum lechzende Meute, sondern tobt sich künstlerisch in den verschiedensten Genres aus. Das neue Album „Knock Knock“ ist der Höhepunkt seines Schaffens als Querdenker-DJ.

Stefan Kozalla hat es gut. Schon lange muss der Mittvierziger sich nicht mehr als der geniale Live-DJ beweisen, der er zweifellos ist. Gebucht wird er ohnehin. Weltweit, mit Kusshand. Ein neues Album als Visitenkarte für mehr Gigs und höhere Gagen, das machen die anderen. DJ Koze macht Kunst.

Das befreiende Gefühl, auf Platte nicht zwingend das abliefern zu müssen, was man auch auflegen kann, das kostet DJ Koze auf seinem neuen Album „Knock Knock“ voll aus. In allen 16 Tracks. Oder besser: Songs. Popsongs, die ohne Refrain auskommen und doch hängenbleiben.

Retro ohne Kitsch, Soul ohne Pathos

Abwechslung ist Trumpf auf „Knock Knock“. Kein Stück klingt wie das andere und trotzdem wirkt alles homogen. Kozes Nähe zum Hip-Hop ist allgegenwärtig. R&B und Soul klingen durch. Hier mal ein funky Groove, da ein verschachtelter Beat, dann wabernde Synthesizer und mittendrin wieder der geradeaus stampfende Vierviertel-House. Langweilig wird „Knock Knock“ in keiner Minute, in keinem Takt. An jeder Ecke lauert die Möglichkeit einer überraschenden Wendung.

DJ Koze ignoriert konsequent die üblichen Rave-Signale und arbeitet viel mit Samples. Mit Retro-Sounds, aber ohne den nostalgischen Kitsch. Mit souligen Emotionen, aber ohne Pathos. Da kommt Flohmarkt-Feeling auf. Die Lust nach dem Stöbern durch verranzte Disco-Platten. In „Pick Up“ zum Beispiel. Da samplet er den 70er-Jahre-Song „Neither One Of Us“ von Gladys Knight & The Pips.

Gut, man könnte ihm vorwerfen, dass er sich hier ein erprobtes Rezept zu Eigen macht. Der britische Produzent Midland hat vor anderthalb Jahren dasselbe Sample in seinem Track „Final Credits“ verwendet – einem sehr erfolgreichen Club-Hit. Aber geschenkt, Koze hat Narrenfreiheit. Und: Koze hat einflussreiche Freunde. Auf „Knock Knock“ sind allerhand bekannte Stimmen zu hören. Bon Iver, Róisín Murphy, José González, Kurt Wagner von Lambchop und Labelkollegin Sophia Kennedy, die im Song „Drone Me Up, Flashy“ Hildegard Kenf alle Ehre erweist.

Ein wilder Ritt

Koze ist seit jeher mehr als nur der funktionale DJ. Er ist der Künstler mit dem Blick über den Bass-Drum-Tellerrand. Deejaying will hier als eigenständige Kunstform verstanden werden, nicht als Dienstleistung. Und „Knock Knock“ fühlt sich nicht an wie ein House- oder Techno-Album, sondern wie ein psychedelischer Roadtrip durch ein verschroben-buntes Paralleluniversum. Wie schön, dass DJ Koze uns den Beifahrersitz freigehalten hat.

Redaktion