Album der Woche: The Head And The Heart – Let’s Be Still

Indiefolk erfreut sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit. Bands wie Bon Iver oder Mumford & Sons haben die Charts erobert. Davon haben auch The Head And The Heart profitiert. Wir haben mit der Band über Erfolgsdruck, ihre Heimatstadt Seattle und ihr neues Album „Let’s Be Still“ gesprochen.

Es heißt ja oft, dass die eigentliche Herausforderung für eine Band das verflixte zweite Album sei. Das erste ist gefeiert worden, jetzt muss schnell nachgeliefert werden, denn die Fans wollen mehr. Erfolgsdruck? Versagensängste? Schreibblockade? – Josiah Johnson von The Head and The Heart winkt ab. Alles totaler Nonsens.

Wir haben schon früh darüber gesprochen, wie das zweite Album klingen könnte. Letztlich fanden wir alle, dass diese ganze Panikmache totaler Quatsch ist. Man sollte einfach das Album aufnehmen, das man will und fertig. Und das war eine gute Idee, denn wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Die Songs sind erwachsen geworden

Fans können sich freuen, denn auf Let’s Be Still klingen The Head and The Heart wie sie selbst, nur noch besser. Das andauernde Touren der letzten Jahre hat sie als Band zusammenwachsen lassen. Allein 2012 haben sie über 200 Konzerte gespielt. Die Routine und das gestiegene Selbstvertrauen hört man auch auf ihrem zweiten Album.

Bei den neuen Songs haben wir uns mehr getraut. Im Studio konnten wir mehr ausprobieren und die Dinge anders angehen.

Damals wollten wir schnell etwas Vorzeigbares in der Hand haben. Wir haben nicht groß über interessante Strukturen oder Details nachgedacht. Deshalb klingt das erste Album ziemlich einfach.

Das Herumprobieren im Studio hat sich gelohnt. Die Songs klingen erwachsener und eleganter, der Sound ist voller und die Arrangements komplexer. Zu Akustikgitarre, Banjo und Harmoniegesang gesellen sich Streicher, groovy E-Gitarren Riffs und schillernde Synthesizer.

Pop vs. Folk

The Head And The Heart spielen Popsongs mit der Intensität und Ernsthaftigkeit einer Folkband. Sie singen von enttäuschter Liebe, Verlust und Vergänglichkeit. In der Tradition von Neil Young oder Bob Dylan sehen sie sich aber nicht.

Wir mögen dieses Musik und sind davon inspiriert. Aber wir machen Popmusik. Natürlich nutzen wir einige Elemente aus der Folkmusik, aber wir lassen auch andere Stile mit einfliessen.

Seattle und Sub Pop

The Head And The Heart kommen aus Seattle. Seit den frühen 1990ern hat sich die Stadt zu einem Musikmekka entwickelt, das immer wieder interessante Bands hervorbringt. Nicht zuletzt deshalb hat es Head and Heart Sänger Jonathan Russel dorthin verschlagen.

Ich war Tellerwäscher in einem Restaurant und hab gesagt, dass ich nach Seattle ziehe und einen Vertrag bei Sub Pop bekomme. Sie haben mich natürlich ausgelacht.

Aber nicht nur das legendäre Label Sub Pop hat dazu beigetragen, dass Seattle so ein günstiger Ort für aufstrebende Bands ist. Schon lange gibt es ein Netzwerk von Musikern, die sich gegenseitig unterstützen. Die Atmosphäre ist freundschaftlich, man rangelt nicht um die besten Plätze, sagt Josiah Johnson.

Die erfolgreichen Bands haben ihre Freunde mitgenommen. Darum gab es so viele ähnlich klingende Grungebands zu dieser Zeit. Sie haben sich nicht gegenseitig verdrängt, sondern gesagt: Ich hab’s geschafft, jetzt bekommt ihr auch einen Vertrag. Denn der Erfolg einer Band ist gut für die gesamte Szene. Und das ist heute immer noch so.

Musik zum Anlehnen

Vermutlich liegt es ja auch an ihrer netten Heimatstadt, dass die Songs auf Let’s Be Still nach Geborgenheit und Sicherheit klingen. Der Albumtitel ist außerdem programmatisch zu verstehen: In Zeiten von Mediendauerberieselung und ständiger Erreichbarkeit fordern uns The Head And The Heart auf, mal einen Gang runterzuschalten. Und mit ihren freundlichen, warmen Songs kann man die hektische Welt draußen getrost eine Weile vergessen.

Redaktion